)
Thailands Militär erstickt nach seiner Machtergreifung jeglichen Widerstand. | Mittels Diktat von oben soll der tiefe Graben zwischen Landbevölkerung und Eliten zugeschüttet werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bangkok/Wien. In Thailand wird derzeit nur ganz still protestiert. So traf sich in Bangkok eine Gruppe von Thailändern, um öffentlich und gemeinsam zu lesen, und es war kein Zufall, dass ein Teilnehmer dabei in George Orwells Roman "1984" blätterte. So forderte er auf seine Art Gedankenfreiheit ein.
Denn damit hat der "Nationalrat für Frieden und Ordnung" so seine Probleme. Diesen euphemistischen Namen hat sich die Militärjunta gegeben, die in dem beliebten Touristenziel seit ihrem Putsch am 22. Mai an der Macht ist. . Die Militärführung um Juntachef Prayuth Chon-ocha hat politische Versammlungen verboten und die Medienfreiheit empfindlich eingeschränkt, so mussten Fernsehsender und Radiostationen ihre Programme einstellen. Zudem hat König Bhumibol Adulyadei bereits eine Übergangsverfassung der Militärmachthaber gebilligt. Diese schreibt eine Amnestie für die Militärs fest, damit diese nicht später für den Putsch belangt werden können. Ein Übergangsparlament wurde auch schon eingesetzt - es besteht größtenteils aus ehemaligen und aktiven Armeeangehörigen. Die Maßnahmen lösten auf dem internationalen Parkett nur sehr beschauliche Proteste aus.
Das Thaksin-Lager hat derzeit nichts zu melden
"Wir erleben derzeit in Thailand eine absolute Herrschaft mit dem Versuch, jeglichen Widerstand und äußere Einflüsse zu unterdrücken", sagt der Politologe und Südostasien-Experte Marco Bünte, der an der Monash-Universität in Malaysia arbeitet, der "Wiener Zeitung". Vor allem eine Gruppe ist damit aus dem Spiel genommen: die Anhänger des ehemaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra, die sogenannten Rothemden. Mit seinen drastischen Maßnahmen hat das Militär dieser Massenbewegung derzeit jegliche Möglichkeit zur Mobilisierung genommen.
Thaksin polarisiert das südostasiatische Land seit mehr als einem Jahrzehnt. Der Geschäftsmann und Selfmade-Milliardär ist bei der Landbevölkerung im dicht besiedelten Nordosten Thailands noch immer sehr populär, da er während seiner Regierungszeit viele Sozialprogramme, etwa eine bessere Krankenversorgung, ins Leben rief.
Die Bangkoker Elite, der städtische Mittelstand und die Bevölkerung im Süden betrachteten den Geschäftsmann mit dem schlechten Leumund aber immer nur als korrupten Emporkömmling. Zudem sahen sie teilweise von der Thaksin-treuen ländlichen Mittelschicht ihre Stellung bedroht.

Auch nachdem der mittlerweile wegen Korruption verurteilte und im Exil lebende Ex-Premier von der Macht verdrängt wurde, gewannen seine Gefolgsleute sämtliche Wahlen. Das Lager Thaksins hatte die ländlichen Massen hinter sich, die ihm feindlichen Eliten waren in den Institutionen viel stärker verankert. Immer wieder wurden Thaksin-treue Regierungen gestürzt - entweder durch die Gerichte oder das Einschreiten des Militärs, wie nun im Mai nach monatelangen, teilweise gewaltsamen Protesten der Thaksin-Gegner.
Das langfristige Ziel des königstreuen Militärs ist laut Beobachtern klar: Es will stabile Verhältnisse schaffen, wenn es zur Thronfolge des mittlerweile 86-jährigen Bhumibol kommt. So soll verhindert werden, dass die Rothemden auf diesen Prozess in irgendeiner Weise Einfluss nehmen können.
Fraglich scheint aber, wie weit das Militär dabei geht, eine neue Verfassung soll erst ausgearbeitet werden. Es gibt Gerüchte, dass die Armee langfristig an der Macht bleiben will. Dem widerspricht aber, dass die Junta Wahlen versprochen hat. Es könnte daher sein, dass sie eine Art Semidemokratie schafft und wichtige Posten nicht mehr vom Volk bestimmt werden. So würde man wieder eine gewisse Teilhabe für die Landbevölkerung und ihre Repräsentanten schaffen, sie jedoch von den Schalthebeln der Macht fernhalten. Ungewiss bleibt dann aber, ob sich die Rothemden das auf Dauer gefallen lassen würden.
"Feudale Denkstrukturen sind noch sehr intakt"
Das Problem der Polarisierung der thailändischen Gesellschaft bleibt mit dem Einschreiten des Militärs jedenfalls ungelöst. Dem Land ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der unterschiedlichen Gruppen zu finden. Thailand fehle eine Kultur des Kompromisses, sagt Bünte. "Die Auffassungen der anderen Gruppe werden nicht als legitim anerkannt", erklärt der Politologe. Das liege daran, dass "feudale Denkstrukturen noch sehr intakt sind". So würden große Teile der Elite die Rothemden als ungebildete Masse betrachten, der man Demokratie erst beibringen müsse. Umgekehrt habe auch das Thaksin-Lager sich auf keine Kompromisse eingelassen, die ein stabiles System ermöglicht hätten, sagt der Asien Experte.
Einen Ausgleich schafft offenbar auch das Militär nicht. Stattdessen versucht es, mit einem Diktat von oben die Widersprüche in der thailändischen Gesellschaft zu überdecken.