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Die Verpackungskünstler

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft

Zertifikate wurden zuletzt - noch mehr als vor der Krise - verteufelt und bejubelt zugleich - ein Blick hinter den Vorhang einer Verpackungswerkstatt.


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So richtig verstanden haben Zertifikate bis jetzt nur die Fachleute, die sie konstruiert haben. Auch Verkäufer dieser Produkte konnten oft nur den "Beipackzettel" vorlesen, was zu bösen Überraschungen geführt hat.

Im Grunde sind Zertifikate Anleihen auf Indizes oder Sachwerte mit einem eingebauten Wettelement. Das heißt, dass bestimmte Summen nur unter bestimmten Bedingungen ausbezahlt werden. Je nach Konstruktion können diese Bedingungen entweder Kursverläufe oder Mindest- beziehungsweise Höchststände von Indizes sein.

Ein Beispiel: Ein Bonus-Zertifikat auf einen Aktienindex wie den

EuroStoxx50 kann etwa eine Barriere von 1450 Punkten eingebaut haben. Wenn der Index während der Laufzeit des Zertifikates, die von Tagen bis zu Monaten und Jahren reichen kann, diese Barriere nie unterschreitet, dann bekommt der Anleger einen vorher bestimmten Bonus-Betrag ausbezahlt. Sollte der zugrunde liegende Index jedoch auch nur einmal unter die 1450-Punkte-Marke fallen, dann verändert sich das Bonus-Zertifikat zu einem Index-Zertifikat. Das heißt, dass erstens der Bonus weg ist und zweitens sich der Wert des Zertifikats zusammen mit dem Index nach unten bewegt.

Anbieter von Zertifikaten schreiben gerne in die Beschreibungen, in welchen Märkten welche Art von Zertifikat unter Umständen "interessant sein könnte". Ein Bonus-Zertifikat wird zum Beispiel also möglich Option, niemals als Empfehlung, in "eher seitwärts oder leicht positiv tendierenden Märkten" genannt.

"Wir bauen nur die Instrumente, den Investment-Ansatz muss der Anleger mitbringen," sagte Christian-Hendrik Knappe, Projektleiter bei db-x markets, dem Zertifikate-Haus der Deutschen Bank. Das heißt, dass eigentlich nur Menschen in Zertifikate investieren dürfen, die zu einem bestimmten Zweck ein Instrument brauchen. Im Fall von Bonus-Zertifikaten etwa um von einem Index, von dem sie sich sicher sind, dass er nicht deutlich fallen wird, noch zusätzlich zu profitieren.

Auf keinen Fall sollten komplexe Zertifikate an Anleger verkauft werden, die sich nicht mit der Entwicklung des zugrunde liegenden Basiswertes beschäftigt haben.

Natürlich gibt es auch ganz einfache Index-Zertifikate, die einfach nur einen Index abbilden. Die Deutsche Bank nennt solche Zertifikate eine "Serviceleistung", denn verdienen könne man damit nicht viel. Es werden keine Gebühren erhoben und der Anbieter kann auch nicht von der "Fehlentscheidung" der Anleger profitieren. Denn im Grunde sind Zertifikate eine Wette auf zukünftige Ereignisse - in noch höherem Maße als mit anderen Kapitalmarktinstrumenten. Wenn sich der Anleger "verzockt", kann der Anbieter des Zertifikats daran verdienen. Natürlich ergeben sich für ihn auch Gewinnspannen aus An- und Verkäufen von Optionen auf Indizes, also Rechte einen Anteil an einem Index zu einer bestimmten Zeit zu kaufen oder zu verkaufen.

Für den Anleger bieten Zertifikate die Chance, bei bestimmten Annahmen zur Marktentwicklung die Einsätze deutlich zu erhöhen, wenn die Wette aufgeht. Neben dem Nicht-Eintreten der Erwartungen ist der Ausfall des Anbieters das größte Risiko eines Zertifikates, wie auch jeder anderen Anleihe.

Per se sind Zertifikate also nur gekonnt verpackte Strukturen, in denen sich Chancen und Risken verstecken. Das Hauptproblem ist, dass einige davon, auch nach der Krise, man um die Wichtigkeit von Transparenz gelernt haben sollte, so kompliziert sind, dass auch Verkäufer sie nicht richtig verstehen.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.