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Halbwertszeit von Reformen ein Jahr; echte Steuerreform kostet 10 Milliarden.
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Wien. Es könnte das "Leuchtturmprojekt" einer an großen Würfen eher armen Regierung Faymann II werden: eine "echte" Steuerreform. Wie dringend diese geboten wäre, zeigen die Zahlen über die Entwicklung der Steuereinnahmen aus der Lohnsteuer. Diese stiegen im Jahr 2012 um mehr als sieben Prozent. Bis zum November 2013 legten sie um weitere 5,6 Prozent zu.
Heimliche Steuererhöhung
Dieser sprudelnden Steuerquelle stehen die ausgetrockneten Börsel der Arbeitnehmer gegenüber. Deren Löhne waren nach allen Abzügen in den vergangenen vier Jahren sogar rückläufig, sagt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Karl Aiginger, zur "Wiener Zeitung". Man glaubt sich in zwei Welten. Eine Erklärung dafür: die "kalte Progression". Dieses Wortungetüm schlägt dann zu, wenn der Lohn eines Arbeitnehmers bloß an höhere Preise angepasst wird; das bringt den Bürgern an der Supermarktkassa nichts; zudem rutscht er dadurch in eine höhere Steuerstufe und berappt mehr Lohnsteuer.
Diese "heimliche Steuererhöhung" trifft besonders untere und mittlere Einkommen, hält das Wifo fest. Grund ist die hohe erste Steuerstufe von 36,5 Prozent für Einkommen zwischen 11.000 und 25.000 Euro jährlich. Im Programm der Regierung heißt es: Der Steuersatz soll "in Richtung 25 gesenkt werden, sobald eine Gegenfinanzierung oder budgetäre Spielräume gegeben sind".
Kurze Entlastung
Würde das reichen? Vergangene Steuerreformen verpufften, was die kalte Progression betrifft, schon nach einem Jahr (siehe Grafik). Danach stieg die Lohnsteuer wieder stärker als die Löhne. Das Volumen für eine echte Steuerreform beziffert Aiginger mit rund zehn Milliarden Euro. Allein durch die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent würden dem Staat über vier Milliarden Euro entgehen, hat die Statistik Austria errechnet.
Aiginger hält die Reform nur für sinnvoll, wenn auch die anderen Steuerstufen gesenkt werden - inklusive des Spitzensteuersatzes von 50 Prozent ab 60.000 Euro jährlich. Das wäre für Aiginger argumentierbar, wenn es im Gegenzug eine Erbschaftsteuer oder höhere Grundsteuern gibt.
Zurück in die politische Realität: Der Regierung fehlen in den kommenden Jahren 20 Milliarden Euro, um ihr Ziel eines Nulldefizites zu erreichen. Gleichzeitig sagt eine Sprecherin von Neo-Finanzminister Michael Spindelegger, "eine Steuerreform auf Pump kommt nicht in Frage und ist nur ohne neue Steuern sinnvoll". Das Leuchtturmprojekt wackelt also gehörig.
Vermögenssteuer-Patt
Selbst wenn die Volkspartei ihr Njet zur Erbschaftsteuer für Millionäre im Gegenzug zur Entlastung des Mittelstandes aufgeben würde, würde eine solche Steuer nach diversen Berechnungen nur rund 300 Millionen Euro bringen. Deutlich mehr könnte eine Vermögenssteuer für Millionäre ins Staatssäckel spülen, wie sie die SPÖ gefordert hat, nämlich jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Doch Vermögenssteuern lehnt die ÖVP noch vehementer ab. Der Spielraum für eine Steuerreform hängt also wesentlich an der Wirtschaftsentwicklung.
"1,7 Prozent für 2014 hauen mich noch nicht um", sagt der Finanzsprecher der SPÖ, Jan Krainer, zu den Wachstumsprognosen. Und wenn der Konjunkturhimmel noch deutlicher aufreißt? Dann können finanzielle Spielräume entweder dafür verwendet werden, das Nulldefizit schneller zu erreichen, oder "politische Akzente" zu setzen, sagt Krainer. Damit sind zunächst Projekte gemeint, die im Regierungsprogramm unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Beispiel Gratis-Zahnspange, "die könnte dann früher kommen", sagt Krainer. In der Frage der Steuerreform sieht er keine Alternative zu Vermögenssteuern. Der Streit mit dem Koalitionspartner, der bereits den Wahlkampf maßgeblich prägte, ist damit auf später verschoben.
Die sprudelnden Lohnsteuern reichen derzeit im Übrigen nicht, um Budgetlücken zu beseitigen. Sie ersetzen vielmehr fehlende Einnahmen aus der Umsatzsteuer oder der Kapitalertragssteuer. Die Steuerlast auf den Schultern der Arbeitnehmer wächst und wächst und wächst . . .