Für ein öffentliches Bauprojekt - wie etwa einen Schul-Campus - braucht man mittlerweile schon mehr Anwälte als Architekten.
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Wien. Stellen Sie sich vor, Sie sind Architekt. Sie machen einen Vertrag mit der Stadt und nachdem ein Fehler am Bau aufgetreten ist, droht die Stadt Ihnen mit einer Klage von 250 Millionen Euro. De facto klagt die Stadt Sie auf eine Summe von 13 Millionen Euro. Demgegenüber steht Ihre Forderung. Sie wollen Ihr Honorar in der Höhe von 800.000 Euro bezahlt bekommen. Würden Sie dieses Risiko nochmals eingehen?
Um das Verhältnis zwischen der Stadt Wien und ihren Architekten steht es derzeit nicht zum Besten. Wie die "Wiener Zeitung" bereits berichtete, sind viele Architekten verägert. Sie vermissen Verhältnismäßigkeit und Sicherheit in jeder Hinsicht. Vor allem aus juristischer Sicht ist es für Architekten aber auch für die Stadt selbst oft nicht mehr möglich, den Überblick über den Paragrafen- und Normen-Dschungel für einen Bau zu behalten. Die besondere Herausforderung sind die sogenannten PPP-Verträge (Public Private Partnership); also wenn die Stadt gemeinsam mit einem privaten Unternehmer ein Projekt, wie etwa einen Schulbau, realisiert. 2100 Seiten umfasst so ein Vertrag. Da braucht es mittlerweile schon mehr Anwälte als Architekten für ein Projekt.
Wenn die Anwälte verdienen
Das was PPP-Modelle für die Stadt so attraktiv macht, ist die dadurch wegfallende Finanzierung des Baus. Denn der private Partner übernimmt diese ganz oder teilweise und muss auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes achten. Die Stadt hat dafür zu sorgen, dass gemeinwohlorientierte Ziele beachtet werden. Hintergrund dafür sind Maastricht und der Stabilitätspakt, wonach es zu keiner Neuverschuldung kommen darf. Allerdings wurde das neue strukturelle Defizit beschlossen, wonach es nicht zu einer schwarzen Null kommen muss. Die Miete, die die Stadt für das Schulgebäude dann zahlt, fällt nicht unter die Maastricht-Kriterien.
Die von der Stadt bis 2022 geplanten elf neuen Campus-Standorte müssen finanziert werden. Das Investitionsvolumen beträgt rund 700 Millionen Euro. Der bereits fertiggestellte Campus Gertude-Fröhlich-Sandner am Nordbahnhofgelände wurde demnach als PPP-Projekt gebaut. Vor kurzem wurde dieser jedoch von Brüssel überprüft und dem Campus wurde der PPP-Status und damit die Maastricht-Neutralität abgesprochen.
Rechtsanwalt Hannes Pflaum formulierte es im Rahmen einer Podiumsdiskussion Donnerstagabend auf Wienerisch: "Man hat die Krot umsonst gfressn. Dem ist man dann ausgeliefert. Das ist ein echtes Problem." Der Grund für den Rauswurf waren rechtliche Kriterien. Die Verträge umfassen wie gesagt 2100 Seiten und obwohl die Stadt Wien sich mit Anwalt und Fahrt nach Brüssel gut vorbereitet hatte, ging es in diesem Fall schief. Für den Ausgang gibt es keine Garantie.
Bleibt die Stadt dabei?
Die Stadt ist sich der Problematik bewusst. Paul Oblak von der Baudirektion der Stadt Wien verwies darauf, dass Maastricht eine Tatsache ist, mit der man sich auseinandersetzen muss. "Diese Verträge sind sehr komplex", räumte er ein. Ob die Stadt weiter an PPP festhalten wird, war nun die große Frage. Denn wenn man so viele Anwälte brauche, wo sei dann die Ersparnis? Oblak verwies darauf, dass man sich ansehen müsse, wie die Beauftragung der Architekten in anderen Ländern abläuft. Denn für Architekten ist die Situation bei PPP-Verträgen besonders heikel. Wem wird das Eigentum zugeordnet? Wer trägt das Planungs- und Baurisiko?
Für Pflaum wäre eine Anbindung des Architekten an den Privaten eine mögliche Lösung: "Es wird ein öffentlicher Wettbewerb gemacht, den gewinnt jemand, dieser wird dem privaten Partner zugeordnet", sagte er. Prinzipiell habe sich die Gewichtung verschoben. Heute seien viel mehr Juristen als früher eingebunden. Wenn man laut Pflaum den Stabilitätspakt einhält, dürfte man keine Schulen mehr bauen. Es sei denn, man würde an der richtigen Stelle sparen, sagte Pflaum und versetzte damit der Stadt einen Seitenhieb.
Der Kammer der Architekten für Wien, Niederösterreich und Burgenland ist es seit Jahren ein großes Anliegen, sich mit dem PPP-Thema zu befassen. Wie sollen künftig Straßen, Tunnels, Kanalisation, Kultur und Bildungsbauten gebaut werden? Die meisten PPP-Projekte würden laut Architektin Hemma Fasch scheitern. Sie nannte die U-Bahn in London und die Situation in Deutschland. Dazu komme, dass PPP-Verträge privat sind und somit der öffentlichen Kontrolle entzogen.
So wird Architektenarbeit immer mehr zur Anwaltsarbeit - wie im Fall des Wiener Stadthallen-Architeken Georg Driendl, der sich vor einer 250-Millionen-Euro-Klage fürchten musste.