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Die Verschiebung der Macht

Von Katharina Schmidt

Politik

Mitterlehner will den Hochschulbereich aufräumen -und rechnet nicht nur mit Jubelrufen.


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Wien. Weltraumforschung, Slowakisch, Nederlandistik. Es gibt sie noch, diese klassischen "Orchideenfächer" - und im Gegensatz zu vielen anderen genießen die Studierenden dort geradezu paradiesische Betreuungsverhältnisse. Während in den 20 unbeliebtesten Fächern gerade einmal 229 Personen ihr Studium beginnen, sind es in den 20 beliebtesten stolze 40.700.

Dazu kommt, dass seit der Entlassung der Universitäten in die Autonomie im Jahr 2002 die Zahl der Studierenden an den 21 öffentlichen Unis um mehr als die Hälfte auf 309.000 gestiegen ist. Die Fachhochschulen, die als praxisnahe Alternative zu den Unis gegründet wurden und Berufsausbildungen übernehmen sollten, ziehen bisher erst rund 13 Prozent der Studierenden an - in Deutschland und der Schweiz sind es rund dreimal so viele.

Dass es hier eine Neuorientierung braucht, haben zuletzt nicht nur die neue Präsidentin der Universitätenkonferenz, Sonja Hammerschmid, sondern auch die Regierung beratende Institutionen wie der Wissenschaftsrat und der Rat für Forschung- und Technologieentwicklung gefordert. Für Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist jetzt der Zeitpunkt, sich der Sache anzunehmen. Denn die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten wurden gerade erst abgeschlossen, damit hat man ein wenig Luft bis zum Start der nächsten Verhandlungsrunde 2018.

Mehr Durchlässigkeit

Unter dem Motto "Zukunft Hochschule" will Mitterlehner bis nächstes Jahr eine strategische Neuorientierung des gesamten tertiären Sektors erarbeiten - mit dem Ziel, dass die neuen Leistungsvereinbarungen, die ab 2019 gelten, bereits im Sinne der Effizienzsteigerung abgeschlossen werden.

Doch was genau plant das Wissenschaftsministerium? Einerseits muss der Hochschulraum innerhalb Österreichs durchlässiger werden, sagte Mitterlehner am Montag in einem Hintergrundgespräch. Es könne nicht sein, dass jemand mit einem Wirtschaftsbachelor der Uni Linz in Wien keinen Master machen kann, weil ihm zwei Mathematik-Punkte fehlen. Andererseits gelte es auch, einen Ausgleich zu finden zwischen den eingangs erwähnten "Luxusfächern" und jenen mit starken Kapazitätsengpässen. Auf die Frage, ob dann bei den Luxusfächern der Sparstift angesetzt werde, wollte Mitterlehner nicht so recht antworten. Es werde jedenfalls "keine Streichorgie" geben, meinte er, aber einen "Fächerabgleich". Zuletzt hatte Hammerschmid im Interview mit der "Wiener Zeitung" die Streichung ganzer Studienrichtungen oder deren Verlagerung an die Fachhochschulen in den Raum gestellt.

Ersteres ist kein Thema für Mitterlehner, er erwartet sich jedoch stärkere Kooperationen zwischen den Unis untereinander, aber auch zwischen Unis und Fachhochschulen. Zum Beispiel kann er sich vorstellen, dass Fächer mit niedrigen Anfängerzahlen an unterschiedlichen Universitäten zusammengelegt werden und dass weniger forschungsgeleitete Fächer an die Fachhochschulen ausgelagert werden.

Die heilige Kuh der Universitäten, das Promotionsrecht, will Mitterlehner nicht angreifen, obwohl die Fachhochschulen ja immer wieder Begehrlichkeiten in diese Richtung geäußert haben.

Die jüngsten Überlegungen des neuen Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno, 21 Unis könnten für Österreich zu viele sein, hält Mitterlehner für eine "Überinterpretation des Themas", aber es berühre den Kern der Sache. Am Ende könnte auch das ein mögliches Ergebnis des Konsolidierungsprozesses sein.

Hoffen auf Kooperation

An der Autonomie der Universitäten will der Wissenschaftsminister grundsätzlich nicht rütteln, mahnte aber deren Kooperationsbereitschaft ein: Sollten sie für eine Effizienzsteigerung nicht zu haben sein, dann werde der Bund wohl doch auf eine gesetzliche Regelung zurückgreifen. "Wir werden nicht nur Begeisterung ernten, immerhin werden Machtbereiche verschoben", sagte Mitterlehner. Aber alle - auch die Universitätenkonferenz - seien sich dessen bewusst, dass das System weiterentwickelt werden müsse.

Und so viele Blätter Papier passen bei genauerem Hinsehen gar nicht zwischen Hammerschmids und Mitterlehners Ideen zur Neugestaltung.