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Die verschiedenen Gesichter eines "Scheinklimaschutzes"

Von Petra Tempfer

Politik

Das Fenster bis 2100, wenn es gegenüber 1880 global weniger als 1,5 Grad wärmer sein darf, schließt sich.


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"Alle schützen das Klima - warum sinken die Emissionen nicht?", fragte Martin Auer von Scientists for Future Österreich, einer Initiative von Wissenschaftern zur Unterstützung der Schülerbewegung Fridays for Future, am Mittwoch. Gemeinsam mit "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" begab man sich im Rahmen einer Veranstaltung auf Lösungssuche, inwieweit die gesteckten Klimaziele überhaupt erreichbar sind - vor allem angesichts dessen, dass auf zahlreichen Ebenen "Scheinklimaschutz" betrieben werde, wie es hieß.

Die Klimaziele von Paris besagen, dass die globale Erwärmung bis 2100 innerhalb der EU gegenüber 1880 unter 2 Grad gehalten werden muss. Ein Sonderbericht des UN-Weltklimarates IPCC von 2018 setzt die Latte noch tiefer und spricht von unter 1,5 Grad. Schon jetzt ist es in Österreich allerdings um fast 2 Grad wärmer als 1880, wie Statistiken der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zeigen. Folgt keine Trendumkehr, werde die Temperatur bis 2100 um mindestens 5 Grad höher als 1880 sein, heißt es von dieser.

Verbrauch reduzieren

Österreich hat sich daher zum Ziel gesetzt, ab 2040 kein klimaschädliches CO2 mehr auszustoßen, also klimaneutral zu sein. Tatsache ist aber auch, dass es laut den Zahlen des Umweltbundesamtes die Emissions-Zielwerte stetig überschreitet. Denn: Die Maßnahmen seien noch immer zu zögerlich, sagte Renate Christ, ehemals Leiterin des IPCC-Sekretariats, bei der Veranstaltung. Vor allem aber täusche man sich mit diesen mitunter selbst. "Was bedeutet es zum Beispiel, wenn ein Brief CO2-frei zugestellt wurde - ist das wirklich so? Nein." Denn für eine Netto-Null-Emission müsste etwa der Strom für das Elektrofahrzeug zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen - und das könne man nicht garantieren. Dazu komme die Klimabelastung durch die Herstellung der Fahrzeuge.

Daher brauche es nicht nur Einzelmaßnahmen, ergänzte Politologe Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Boku Wien. Vielmehr müsste man den gesamten Energieverbrauch massiv reduzieren, die Effizienz stärken und zum Beispiel auch zur Gänze vom Auto wegkommen. Zusätzlich bräuchte es Klimazölle, keinen Freihandel mehr ohne Klimaschutz und eine weltweite Klimaschutzorganisation. Denn der Ankerpunkt sei eine akkordierte, ganzheitliche Strategie.

Im Moment sei jedoch das Gegenteil der Fall, so Christ. Allein der Föderalismus in Österreich erschwere Klimaschutzmaßnahmen etwa bei der Raumordnung (wie eine Reduktion der Bodenversiegelung) oder bei der Verkehrsstruktur. Der Verkehr ist generell das größte Sorgenkind, kommen doch 30 Prozent der Emissionen aus diesem Bereich.

Klimanotstand seit 2019

Gerade hier ist aber auch schon einiges passiert. Im Vorjahr wurde das Klimaticket eingeführt, mit dem man um 1.095 Euro pro Jahr öffentliche Verkehrsmittel österreichweit nutzen kann. Parallel wurde ein Bahnausbaupaket verabschiedet. Nahezu gleichzeitig wurde das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen, das Österreich bis 2030 bilanziell zu 100 Prozent Ökostrom verhelfen soll. Bis dahin soll jährlich eine Milliarde Euro in den Ausbau investiert werden. Zudem ist die ökosoziale Steuerreform fix, dessen zentraler Punkt die Einführung einer CO2-Steuer ist, die im Juli kommen soll.

Mit dem "Fit-for-55"-Legislativpaket arbeitet Österreich auf europäischer Ebene zusammen. Die Europäische Kommission schlägt damit eine Überarbeitung einschlägiger Politikinstrumente vor, um bis 2030 mindestens 55 Prozent Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einzusparen.

Zentrale Figur ist seit 2020 Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) - das Jahr, seit dem die Grünen in Österreichs Regierung sitzen, aktuell mit der ÖVP in Koalition. Ein gewisser Meilenstein in Österreichs Geschichte ist auch, dass der Nationalrat 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat. Damit soll die Klima- und Umweltkrise mit höchster Priorität bekämpft werden.