Kurz vor der Neuwahl fand im Parlament so etwas wie eine Generaldebatte über die Vorhaben für Gegenwart und Zukunft statt. Natürlich überboten sich die Parteien mit Wahlversprechen, und es klang vielfach so, als ob sie aus ihrer Privatschatulle den Bürgern großzügige Geschenke machen würden.
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Hier ist auf eine Widersprüchlichkeit hinzuweisen: Einerseits verteilt man unbekümmert das nicht vorhandene Staatsvermögen, belastet die, die sich nicht dagegen wehren können, nämlich Kinder und Jugendliche - andererseits hat kein Redner versäumt zu betonen, dass es ihm um das Wohlergehen der Kinder, Mütter und der Familie gehe.
Vor allem die berufstätigen Mütter standen im Mittelpunkt des Interesses. Frausein, so behaupten Wirtschaft und Politik, definiert sich fast ausschließlich über den Beruf. Nur wer einen Beruf ausübt, habe die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Selbstbestimmung heißt allerdings genau, dass meine Freiheit die meine ist, dass Staat und Gesellschaft allenfalls die besten Bedingungen zu schaffen haben, aber ihre Realisierung dem Einzelnen nicht vorschreiben dürfen.
Die zweite Tendenz ist der zunehmende Zugriff von Staat auf das Kind. Es soll schon in der Frühzeit seines Lebens der Fürsorge des Staates anvertraut werden. Es mag schon sein, dass diese Notwendigkeit in manchen Verhältnissen gegeben ist. Aber es bleibt die Frage, ob generell damit der Persönlichkeitsentfaltung des Kindes am besten gedient ist, ob für die nicht eher in der Geborgenheit der Familie und besonders durch die Mutter gesorgt wird.
Natürlich zieht sich solches Denken den Vorwurf zu, in einem "konservativen" Familienbild befangen zu sein und die Wirklichkeit nicht wahrzunehmen. Wer aber die gesellschaftliche Wirklichkeit zur Norm seines Handelns in der Politik macht, hat auf die Kraft der Gestaltung schon verzichtet. Jener Tendenz dürfte es auch entgangen sein, dass kommunistische und nationalsozialistische Bildungspolitik versucht hat, die Herrschaft über das Kind möglichst früh und umfassend zu erlangen, Eltern und Familien waren ein Störfaktor. Diese Absicht soll niemandem unterstellt werden, aber die Erinnerung daran scheint notwendig.
Glaubt denn jemand, dass Liebe, Vertrauen und Geborgenheit in Institutionen besser gesichert seien als in der Familie? Jede Institutionalisierung bedeutet Uniformierung und Verzicht auf Individualität. Natürlich wird in manchen Familien nicht gut erzogen, da gibt es Gewalt und Missbrauch, ökonomische Not und Interesselosigkeit an der Bildung des Kindes. Vielleicht wäre es aber an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man den Familien so helfen könnte, dass sie ihre Aufgabe der Erziehung wieder mit Freuden aufnehmen. Wer die Erziehung der Kinder als wenig wertvoll ansieht, missachtet ihr zukünftiges Wohlergehen und zugleich das Wohl von Staat und Gesellschaft.
Marian Heitger ist Erziehungswissenschafter und emeritierter Professor an der Uni Wien.