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Die Verungl-Impfung

Von Walter Wotzel

Gastkommentare

Warum die Covid-Impfquote nicht mehr nennenswert steigen dürfte.


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Zunehmend geraten jene, die sich noch nicht gegen Covid impfen ließen, unter gesellschaftlichen Druck. Das ergibt aus Sicht der Epidemiologen und der Politiker Sinn, denn sie können auf statistische Argumente verweisen: Erstens, dass allem Anschein nach die Impfung das Risiko einer Erkrankung und vor allem eines schweren Krankheitsverlaufes deutlich vermindert; und zweitens, dass das Risiko schwerer Nebenwirkungen durch die Impfung geringer einzuschätzen ist als jenes schwerer Auswirkungen durch eine Covid-Erkrankung.

Anders aber sieht die Sache aus Sicht der einzelnen Menschen aus. Und diese wird auch der Grund sein, weshalb die Impfquote nur noch langsam steigt. Denn den Einzelnen trifft eine Krankheit wie auch eine Nebenwirkung der Impfung voll oder gar nicht, Statistik hin oder her. Abgesehen davon, dass bei vielen aus gesundheitlichen Gründen gar keine Impfung in Frage kommt: Bei der persönlichen Einschätzung des Für und Wider der Impfung spielen vor allem Erfahrungen mit vorangegangenen Krankheiten und Impfungen, die Aussicht auf ein künftig beschwerdefreies Leben durch die Impfung, die Einschätzung des Infektionsrisikos im Zusammenhang mit dem persönlichen Lebensstil und die generelle Haltung zu gesundheitlichen Risiken eine Rolle.

Wer sich bisher noch nicht impfen hat lassen, wird also wohl gute Gründe haben, in vielen Fällen auch medizinische (Stichwort: Kontraindikation). Damit wird sich die Politik schwertun, die Impfquote noch nennenswert zu erhöhen. 70 Prozent werden wohl die Obergrenze sein, es sei denn, man übt auf die Eltern großen Druck aus, ihre Kinder impfen zu lassen. Eine allgemeine Impfpflicht kommt wegen ihrer menschenrechtlichen Problematik nicht in Frage.

Wir wissen, dass auch Geimpfte wieder an Corona erkranken und andere anstecken können. Und wir können mittlerweile davon ausgehen, dass bekannte Varianten nur gehen werden, um anderen Mutationen Platz zu machen. Corona ist gekommen, um zu bleiben. Die Aussicht aber, sich jedes Jahr oder gar noch häufiger einen weiteren Stich gegen irgendeine andere Variante zu holen, wird vermutlich viele abhalten - siehe auch die Erfahrungen mit der jährlichen Grippe-Impfung, die in der Regel nur von weniger als 10 Prozent der Bevölkerung in Anspruch genommen wurde.

Ungeimpfte generell als Corona-Leugner oder als verantwortungslos zu bezeichnen, stellt eine Verunglimpfung dar. Wer etwa wenige soziale Kontakte pflegt - und dabei auf Maske und Corona-Test setzt -, geht auch nur ein geringes Ansteckungsrisiko ein und stellt somit auch nur eine geringe Gefahr für die Allgemeinheit dar. Wer hingegen geimpft oder auch genesen ist, aber Risikofaktoren für eine Ansteckung nicht meidet, kann unter Umständen dennoch viele andere anstecken. Impfung wie überstandene Krankheit vermitteln folglich nur ein trügerisches Bild der Sicherheit. Dies wird in den 1G- und 2G-Konzepten außer Acht gelassen.

Weitere Antigentests wichtig

Vor diesem Hintergrund stellt der zunehmende Druck auf ein Ende kostenfreier Antigentests ein großes Problem dar. Denn nur durch sie lässt sich unmittelbar vor der Inanspruchnahme eines Dienstes oder dem Besuch einer Veranstaltung mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen, ob jemand erkrankt beziehungsweise infektiös ist oder nicht. Die zwar treffsichereren PCR-Tests helfen hier wenig, weil ihre Auswertung zu lange Zeit benötigt. Die Politik gut wäre beraten, die Antigentests weiterhin auf breiter Basis anzubieten und sogar den Zugang zu erleichtern. Und wenn schon nicht kostenfrei, dann zu einem gestützten Preis, der nicht abschreckend wirkt.

Generell sollte die Gesundheitspolitik neue Prioritäten setzen. Denn Coronaviren sind gekommen, um zu bleiben. Sie stellen schlicht nur ein weiteres - wenn auch hohes - Gesundheitsrisiko dar, neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, Rauchen, Alkohol, Armut . . . Die Gesundheitspolitik sollte daher ihren Fokus auf Covid-19 allmählich aufgeben und eine angemessene Berücksichtigung der wichtigsten Gesundheitsrisiken anstreben. Da mögen dann auch Coronaviren dazugehören. Das hängt von der weiteren Entwicklung und der künftigen Einschätzung ab.