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Die Verwandlung der 183

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Wenn sich am Donnerstag der Nationalrat zu seiner XXVI. Gesetzgebungsperiode seit 1945 konstituiert, rückt das eigentliche Herzstück der österreichischen Demokratie ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das kann man gar nicht oft genug betonen, weil es den wenigsten wirklich klar ist. In den Mühlen des politischen Betriebs passiert es häufiger, als man meinen würde, dass der Blick fürs Wesentliche verloren geht.

Die 183 Nationalratsabgeordneten, die heute geloben, ihre Aufgaben gewissenhaft und gesetzestreu auszuüben, verkörpern als Einzelne wie als Gesamtheit die Bürger der Republik. Es ist kein Fehler, diese Tatsache mit Pathos zu formulieren. Natürlich agieren in der Wirklichkeit Mandatare als Vertreter ihrer Parteien - trotzdem bleibt die Vorstellung, dass sich hier der Wille des Volks ausdrückt, die Grundlage unserer parlamentarischen Demokratie.

Man muss gar nicht gegen das Parlament wettern, um diese Form der Selbstregierung auszuhöhlen. Wenigstens die Zeiten, in denen die Volksvertretungen als Quatschbuden von ganz links wie ganz rechts geschmäht wurden, haben wir hinter uns gelassen. Der Effekt ist allerdings der gleiche, wenn nun statt des Parlaments die Parteien als zwielichtige Vereinigungen dargestellt und verunglimpft werden. Ohne politische Parteien ist die parlamentarische Demokratie nicht funktionstüchtig.

Und um jedes Missverständnis zu vermeiden: Dies bedeutet nicht, dass Parteien sakrosankt wären. Im Gegenteil: Allein schon ihre Machtposition zwingt dazu, ihnen schonungslos auf die Finger zu schauen und jeden Anflug von Selbstherrlichkeit zu unterbinden.

Letztlich hängt aber alles an den 183 Einzelnen. Machen diese sich zu klein, verletzen sie allein dadurch die Würde ihres Hauses. Macht sich jeder Einzelne zu groß, geht seine Stimme in einer Kakofonie unter, die kein "Wir" mehr erkennen lässt und auch kein "Wichtig" und kein "Unwichtig".

Groß machen muss sich das Parlament vor allem gegenüber den anderen politischen Institutionen, vor allem gegenüber der Regierung und den Parteien. Mit ihrer heutigen Angelobung verwandeln sich Kandidaten zu Volksvertretern. Das kann kein Minister und kein Funktionär einer Partei oder Interessenvertretung von sich behaupten. Dieses Selbstbewusstsein können die Mandatare ruhig zeigen, wenn es notwendig ist.