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Die Vielfalt kommt in den Keller

Von Judith Belfkih

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Die Amüsiertempel und Vergnügungszentren des Menschen wandeln sich. Und bei der Frage plüschige Traditionsbühnen oder schickes Shoppingcenter trägt auch der Druck des Immobilienmarktes eine Portion bei. In Berlin münden diese beiden Mechanismen demnächst in der Tatsache, dass an den Kudamm-Bühnen der letzte Vorhang fällt. Nach dem 27. Mai rücken die Abrissbagger dem Golddekor des jüdischen Architekten Oskar Kaufmann zu Leibe.

In den 1920er Jahren hat Max Reinhardt hier das deutsche Unterhaltungstheater erfunden, später gehörten Bühnenstars wie Inge Meysel und Harald Juhnke, Katja Riemann und Otto Sander, Katharina Thalbach und Maria Furtwängler zum Stammpersonal. Ende des Monats ist damit nach fast 100 Jahren Schluss. Und das nach knapp zehnjährigem Ringen um das Schicksal der beiden Bühnen an der berühmten Flaniermeile der Stadt - mit Rückendeckung der Bevölkerung und gegen mehrfache Besitzerwechsel des Areals. Der aktuelle Besitzer, der Pläne für ein lukratives Shoppingcenter umsetzen will, hat den Mietvertrag nicht verlängert, letztlich kam es zur Räumungsklage. Doch auch der Kultursenator wollte "die Vielfalt und Buntheit" der Bühnenkultur erhalten. Man hat einen Kompromiss ausgehandelt: Das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm ziehen vorübergehend ins Schillertheater, im Shoppingcenter entsteht eine neue Bühne. Mit der Hälfte der Sitzplätze und weit ab vom kaufrauschigen Publikumsstrom: im Kellergeschoß.