Erstes Gipfeltreffen EU-Brasilien in Portugal. | EU-Vertrag als Priorität. | Lissabon. Portugals Premierminister ist knapp und klar. Die Schwerpunkte seines Landes - das seit Sonntag den EU-Vorsitz innehat - lassen sich auf vier Worte reduzieren: "Vertrag, Brasilien, Afrika und Lissabon-Strategie", erklärte der Regierungschef.
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Wie wichtig Socrates die Punkte Afrika und Brasilien sind, zeigten zwei Termine in dieser Woche. Nach seiner Teilnahme am Gipfeltreffen der Union für Afrikanische Einheit im ghanaischen Accra empfing er am gestrigen Mittwoch Brasiliens Präsidenten Lula da Silva in Lissabon. Es war das erste Gipfeltreffen von EU und Brasilien - und, mit den Worten von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Einleitung einer "strategischen Partnerschaft".
Das Treffen in Ghana wiederum war für Socrates ein Muss-Termin, weil er die afrikanischen Staaten auf einen erfolgreichen Europa-Afrika-Gipfel im Dezember vorbereiten will. An der Konferenz in Lissabon sollen alle Regierungschefs der 27 EU-Staaten teilnehmen. Themen werden Einwanderung, Sicherheit, Menschenrechte, Klimawandel und Energiepolitik sein. Unterstützung für die Vorhaben seitens des Europäischen Parlament hat bereits dessen Präsident Hans-Gert Pöttering zugesichert. Hilfe könnte Socrates auch von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy bekommen, der sowohl die Afrika-Politik als auch die Belebung des europäischen Mittelmeer-Dialogs zu Schwerpunkten seiner Außenpolitik machen will. Sarkozy nahm auch am Treffen mit dem Präsidenten Brasiliens in Lissabon teil.
Unerreichte Vorgabe
Ein weiterer Schwerpunkt Portugals, die im März 2000 auf einem EU-Sondergipfel in der portugiesischen Hauptstadt vereinbarte Lissabon-Strategie wieder zu beleben, war bisher Ziel jeder EU-Ratspräsidentschaft. Getan hat sich allerdings wenig. Die Vorgabe war, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.
Vorrang haben jedoch die Arbeiten am EU-Verfassungsvertrag. Socrates spricht von der "Priorität der Prioritäten". "Europa muss stark sein in der Welt und ein Signal des Vertrauens aussenden. Deshalb brauchen wir den Vertrag so rasch wie möglich", meint der Premier. Er muss nun versuchen, aus dem durch die Brüsseler Kompromisse entstandenen Stückwerk einen kompletten, zustimmungsfähigen Grundlagenvertrag zu formulieren. Eile scheint ihm geboten. So soll der erste Entwurf schon am 23. und 24. Juli in Brüssel von zwei Arbeitsgruppen beraten werden, von Juristen und von Vertretern aller 27 EU-Mitglieder.
Für den 8. September hat Außenminister Luis Amado seine EU-Amtskollegen nach Viana do Castelo eingeladen. Der malerische Ferienort an der Costa Verde, der grünen Küste im Norden Portugals, soll Rahmen für die Vorentscheidung über den Grundlagenvertrag werden, der dann im Oktober von den Staats- und Regierungschefs abgestimmt werden soll. Dieses Treffen soll in der Hauptstadt stattfinden, was Socrates zu der Hoffnung berechtigt, dass der Verfassungsersatz als "Lissabonner Vertrag" bezeichnet wird.