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Ob Türkis-Grün im Bund oder Schwarz-Blau in Oberösterreich: Die Corona-Politik sorgt für interne Unstimmigkeit.
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Mit der vierten Welle breitet sich das Coronavirus auch als politischer Spaltpilz aus. Die türkis-grüne Bundesregierung offenbart rund um das weitere Vorgehen in der Krise Differenzen - ebenso wie die schwarz-grün-pinke Salzburger Landesregierung. Die gerade erst fortgesetzte schwarz-blaue Koalition in Oberösterreich kann sich nicht einmal zu gemeinsamen Verordnungen aufraffen. Zwischen Opposition und Bundesregierung sind die Fronten verhärtet wie noch nie.
Mückstein als neuer Watschenmann der ÖVP
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat bei der Volkspartei derzeit einen schweren Stand. Mehrfach richtete der Koalitionspartner ihm diese Woche Unfreundlichkeiten aus. Sie halte "nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers", meinte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck legte nach: Mückstein sei gefordert, "nicht weiter Chaos mitten in der Krise zu schaffen" und solle sich um die Beschaffung von Covid-19-Medikamenten kümmern. Denn diese habe sein Ressort seit Wochen verschlafen, kritisierte Schramböck.
Auslöser der Kritik war, dass Mückstein am Sonntag nächtliche Ausgangsbeschränkungen auch für Geimpfte gefordert hatte. Er erklärte, dass am Mittwoch über weitere Verschärfungen beraten werde. Die Linie der Volkspartei, dass es keine Einschränkungen mehr für Geimpfte geben soll, war noch unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz gezogen worden. Daran will die ÖVP strikt festhalten.
Differenzen zwischen ÖVP und Grünen hat es bereits bei früheren Corona-Wellen gegeben. Doch waren dabei öffentliche Attacken auf Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober unterblieben. Rund um die Debatte um die mangelnde Impfstoffbeschaffung im Frühjahr 2021 hielt etwa Sektionschef Clemens Auer als Watschenmann der ÖVP her.
Dass diese Rolle nun Mückstein ausfüllt, zeigt, wie angespannt die Stimmung zwischen ÖVP und Grünen nach dem Kurz-Rücktritt ist. So wurden aus den von Mückstein angekündigten Regierungsgesprächen zu weiteren Verschärfungen am gestrigen Mittwoch lediglich "interne Gespräche" im Gesundheitsressort. Die Beratung der Regierung findet frühestens am Freitag statt.
Schwarz-blaue Kluft in Oberösterreich
In Oberösterreich spitzt sich die Situation in der erst im Oktober für sechs Jahre verlängerten schwarz-blauen Regierungskoalition wegen der dramatischen Corona-Lage zu. Der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger steigerte den Druck am Mittwoch mit der Ankündigung, ein Lockdown und Heimunterricht für Schüler seien nicht mehr vermeidbar. In Oberösterreich gibt es bereits ein weitreichendes Veranstaltungsverbot bis 6. Dezember.
Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) setzt erneut auf Abwarten: "Sollten die strengeren Maßnahmen nicht greifen, sind weitere Maßnahmen nicht auszuschließen." Der politische Hauptgegner Stelzers in der Corona-Politik sitzt in seiner Koalition. Die FPÖ mit Vizelandeshauptmann Manfred Haimbuchner steht der 2G-Regelung skeptisch gegenüber. Die ÖVP hat Maßnahmen auf Landesebene im Alleingang verordnet. Zur Landtagssitzung am heutigen Donnerstag bringen ÖVP und FPÖ zwar einen Initiativantrag ein, aber ohne drastische Maßnahmen zu erlassen. Stelzer muss sich nun im Landtag einer Anfrage der Neos zur Corona-Politik des Landes stellen.
Lockdown spaltet auch Koalition in Salzburg
In Salzburg droht wegen der hohen Zahl an Neuinfektionen und der Überlastung der Spitäler, dass Ärzte über Leben oder Tod von Patienten entscheiden müssen. In der Dreier-Koalition mit ÖVP, Grünen und Neos hat sich wie in der Bundesregierung zwischen der ÖVP mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer und dem grünen Stellvertreter Heinrich Schellhorn ein Konflikt entsponnen. Schellhorn fordert einen Lockdown für alle. Haslauer, der seit der Vorwoche nach einer schmähenden Bemerkung über Virologen unter Beschuss ist, will einen generellen Lockdown aber vermeiden, solange das möglich ist. Er wartete stattdessen mit einem Fünf-Punkte-Plan auf, während die Kontaktnachverfolgung praktisch nicht mehr funktioniert. Die Neos schieben die Verantwortung Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) zu. Die nächsten Landtagswahlen in Salzburg finden 2023 statt.
Opposition und Regierung auf Crashkurs
Der nationale Schulterschluss aller Parteien zerbröckelte zwar bereits während der ersten Welle. Dennoch konnten SPÖ und Türkis-Grün hier und da doch zusammenarbeiten. Im vergangenen Herbst wurden Verschärfungen von der SPÖ teils mitgetragen. Nachdem die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Mitte Dezember 2020 den Euphemismus "Weihnachtsruhe" ins Spiel brachte, folgte dann wenig später tatsächlich ein Lockdown für die Zeit nach Weihnachten. Auch rund um den "Oster-Lockdown" in Ostösterreich waren sich Türkis-Grün und Rot einig.
Neue Kooperationen und gemeinsame Abstimmungen zeichnen sich nun nicht mehr ab. Den Lockdown für Ungeimpfte beschlossen ÖVP und Grüne alleine. Die SPÖ, welche durch Kurz’ Rückzug Aufwind in den Umfragen verspürt, verschärfte zuletzt ihre Kritik an der Regierung.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisierte am Mittwoch ein "totales Versagen der Regierung bei der Bewältigung der Corona-Krise". Eigene Vorschläge für einen besseren Weg brachte die SPÖ aber auch nicht ein. "Das ist nicht unsere Aufgabe jetzt. Das ist die Aufgabe der Bundesregierung", meinte am Wochenende SPÖ-Vize-Klubchef Jörg Leichtfried im ORF.
Auch die Neos haben sich zuletzt vor allem darauf konzentriert, sich auf die Regierung einzuschießen. Sie drohen damit, im Falle eines allgemeinen Lockdowns vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen. Am Dienstag brachten sie im Nationalrat einen - letztlich erfolglosen - Misstrauensantrag gegen Mückstein ein.
Die FPÖ hat sich unter ihrem Parteichef Herbert Kickl auf einen radikalen Anti-Maßnahmenkurs und eine aggressive Rhetorik eingeschworen. Zu Kickls Vorschlägen zählte, auf ein Pferde-Entwurmungsmittel als Medikament gegen Covid-19 zu setzen. Davon raten Mediziner dringend ab, sie warnen vor Vergiftungen bei einer Überdosis.