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Die virtuelle Stärke des Barack Obama

Von WZ-Korrespondent Matthias G. Bernold

Politik

Republikaner John McCain schwächelt in Online-Plattformen. | Neue Kommunikationsform mobilisiert vor allem Jugend. | New York. Dass zwischen dem 46-jährigen Barack Obama und seinem 71-jährigen republikanischen Widersacher Generationen liegen, zeigen nicht nur das Silberhaar und die paar Fältchen mehr im Gesicht John McCains. Der Altersunterschied wird auch anhand der Nutzung des Internets augenfällig, das im US-Präsidentschaftswahlkampf zum unverzichtbaren Werbemittel wurde.


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Während McCain im Interview mit der US-Zeitung "Politico" bekannte, ein technischer Illiterat zu sein, der sich in Sachen Internet von seiner Frau zur Hand gehen lässt, gilt Obama als Online-Junkie, der Momente der Untätigkeit mittels Getippse auf seinem BlackBerry, einem Multimedia-Telefon, füllt.

Die gegensätzliche Haltung zu modernen Informationstechnologien schlägt sich auch in der Art und Weise nieder, wie die beiden ihren Wahlkampf im Internet führen: Die Homepage des Demokraten www.barackobama.com ist voll mit interaktiven Networking-Elementen, wie man sie von Seiten wie Facebook, MySpace oder Youtube kennt. Die User können auf einer interaktiven Karte Obamas nächste Wahlkampfveranstaltung suchen, sie registrieren sich für die Obama-Gemeinschaft oder bestellen Obama-T-Shirts, Anstecknadeln oder Trinkflaschen im Online-Store. Als Obama diese Woche bekanntgab, das System der öffentlichen Wahlkampfförderung zu boykottieren, prangte auf seiner Webseite sogleich die Aufforderung: "Declare Your Independance From A Broken System" und ein Spendenformular.

Auch McCains Netzauftritt www.johnmccain.com wirkt auf den ersten Blick modern: Die Seite zeigt Rockmusik-unterlegte Videos über den sogenannten Straight Talk Express, einen umgebauten Reisebus, mit dem McCain und Mannschaft durch die Lande tingeln.

Bei den Userzahlen zeigt sich allerdings, dass Obama das Internet als Werbeplattform weit besser zu nutzen versteht. Letzte Woche hatte seine Seite laut "Politico" 926.000 Mitglieder, auf seiner offiziellen Facebook Seite scharte er bis Freitag, 13.30 Uhr, sogar 1,016.935 Unterstützer um sich.

Dies alles - könnte man argumentieren - juckt viele US-amerikanische Wähler wenig. Schließlich liebt nicht jeder das Internet. Aber der viel gelobte Aufbau einer Basisorganisation, mit der Obama gegen Hillary Clinton gewann, geht auf die Mobilisierung junger Leute zurück.

Kommunikationsbasis dafür ist das Internet. Hier melden sich Freiwillige, um für Obama Telefonwerbung zu machen, Diskussionen zu organisieren oder die Türklinken der Nachbarn zu putzen. Über die Homepage erhalten sie Adress- und Telefonlisten und ein Skriptum mit Obamas politischem Programm.

McCain hat, im Gegensatz dazu, gerade einmal 149.155 Facebook-Jünger.

Prügel im Internet

Wie viele seine offizielle Webseite nutzen, ist unbekannt. Und während Obamas Getreue Tag für Tag Videos für ihren Helden auf Youtube lancieren, kommentiert die "Los Angeles Times" den Youtube-Auftritt des Republikaners so: "Er bezieht ernsthaft Prügel." Tatsächlich findet man auf dem Videoportal vor allem Stücke, die McCain kritisieren oder verhöhnen.

Ganz anders Obama, der die Möglichkeiten des Netzes geschickt mit seinen rhetorischen Fähigkeiten kombiniert. Als der Senator aus Illinois im März aufgrund der Aussagen seines (ehemaligen) Vertrauenspredigers Jeremiah Wright unter massiven Druck geriet, hielt er eine in den Vereinigten Staaten wegen ihrer Offenheit als bahnbrechend gewürdigte Rede zu Rasse und Rassismus. Wenige Momente nach der Ausstrahlung befand sich eine Aufzeichnung des Auftritts im weltweiten Netz. In kurzer Zeit luden knapp fünf Millionen User das 37 Minuten lange Video herunter.