Österreichs Polizisten sind neuerdings sehr einsatzfreudig. Manchmal setzen sie das Leben anderer ein, und nicht immer geschieht es aus berechtigter Notwehr.
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In letzter Zeit sind mehrfach falsche Polizisten aufgetaucht, um Raubtouren auf Österreichs Straßen zu veranstalten. Das Neue an der Geschichte ist etwas Persönliches, nämlich dass ich immer öfter grüble, ob es gefährlicher ist, einem falschen oder einem richtigen Polizisten in die Hände zu fallen. Irgendwie habe ich mir vorgenommen, auf jeden Fall seine Knarre im Auge zu behalten, falls mich ein Uniformierter dabei ertappt, eine Straße bei Rotlicht zu Fuß überquert zu haben. Diese Vorsicht wäre übrigens auch einem falschen Polizisten mit rumänischer Staatsbürgerschaft gut angestanden, aber der ist schon tot - erschossen von einem echten österreichischen Polizisten.
Dabei glaube ich noch immer, dass Polizisten primär Freunde und Helfer sind und auch sekundär längst nicht durch den scheußlichen Ideologie-Slang "Bullen" kollektiv diskriminiert werden sollten. Schlimmstenfalls sind sie arme Teufel, die auf jeden Fall in der Klemme sitzen, beim Publikum, in den Medien und in ihrer eigenen Behörde.
Es häufen sich aber Fälle, dass Sicherheitsbeamte aus der Klemme ausrasten und für Mitmenschen lebensgefährlich werden. Dabei verwenden sie ihre Waffe "weder Maß haltend, noch verhältnismäßig und daher unzulässig", wie der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) nach einer tödlichen Amtshandlung feststellte.
Wenn zwei Polizisten unter dem Verdacht vom Dienst suspendiert werden, dass sie einen Fußgänger, der sich nicht an die Verkehrsregeln hielt, krankenhausreif geschlagen hätten, so ist Gefahr in Verzug. Für die beiden gilt immerhin noch die Unschuldsvermutung, und für den forschen Mopeddieb-Jäger in Wetzelsdorf, der den mutmaßlichen Gauner tödlich verletzte, auch. Manchmal trifft eine Kugel jemanden, der zufällig vorbeigeht. In der Serie kapitaler Amtshandlungen stechen ferner vier Wega-Einsatzbeamte heraus, die dem Schubhäftling Bakary S. im April 2006 bei der "Behandlung" in einer leeren Lagerhalle ein paar Knochen gebrochen haben. Sie wurden bedingt verurteilt.
Das sind dann schon andere Dimensionen und nicht bloß durchgebrannte Sicherungen. Man kann dann auch nicht Kritik von außen, wie soeben durch das UNO-Komitee zur Beseitigung von Rassismus (Cerd), großzügig wegwischen, aber Beifall klatschen, wenn die amerikanischen Foltermethoden in Guantanamo angeprangert werden.
Eine politische Frage ist es allemal, wie österreichische Sicherheitsbeamte im Einzelfall und auf sich gestellt - sei er gewichtig oder scheinbar unbedeutend, die Grenzen fließen beunruhigend leicht - Staatsbürger und Fremde behandeln. Der politische Wille, die Exekutivbeamten so gut auszubilden, dass sie nicht in jeder Grauzone diensteifrig stolpern, müsste von oben ausgehen. Der Gedanke daran ist aber allein schon peinlich nach all dem, was in den vergangenen Jahren an der Spitze des Sicherheitssystems passiert ist.
Wenn der Wiener Ex-Polizeichef Roland Horngacher der Zeitschrift "Falter" verrät: "Nach meiner Wahrnehmung existiert hier ein tiefer Sumpf wie am Balkan. Und Wien ist seine Hauptstadt" - dann plaudert er ja aus einer Schule, der man junge Wachebeamten kaum zum lebenslangen Lernen anvertrauen sollte. Und dass "nur" der (noch nicht rechtskräftig, aber höchstgerichtlich) zu 15 Monaten bedingt verurteilte Horngacher solche Wahrheiten ausspricht, ist auch kein sachdienlicher Trost. In seiner früheren Funktion war er doch zumindest in Wien so etwas wie Schulleiter.
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