Die Wahlen in Vietnam werden von den kommunistischen Parteigranden zwar als "Meilenstein der Demokratie" bezeichnet, doch sind sie eine Farce. Denn schon vor der Abstimmung am Sonntag stand fest, dass 90 Prozent der Sitze in der Nationalversammlung der Kommunistischen Partei vorbehalten sind. Und die Kandidaten, die sich um die restlichen zehn Prozent streiten, werden von der Partei eingehend geprüft.
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Gegen dieses Vorgehen gab es keine nennenswerten Proteste und eine breitere Oppositionsbewegung ist momentan nicht in Sicht. Die Kommunistische Partei sitzt fest im Sattel.
Ein Grund dafür ist der wirtschaftliche Aufschwung. Seitdem die Partei nach Hungersnöten Mitte der 80er Jahre den Weg des "Doi Moi", der Erneuerung, ausrief, geht es mit Vietnam rasant bergauf. Ausländische Investoren wurden Schritt für Schritt ins Land geholt und 2006 erreichte man ein Wirtschaftswachstum von rund sieben Prozent.
Und es ist nicht nur eine kleine Elite, die von dem Aufschwung profitiert. Während früher gerade ein paar klapprige Fahrräder durch Hanoi fuhren, sind heute die Straßen der Hauptstadt mit Mopeds überfüllt. Die neue Mittelschicht schimpft zwar hinter vorgehaltener Hand über die Korruption der Parteikader, will sich aber nicht durch zu viel Widerstand den Weg zum Wohlstand verbauen.
Zumal Aufsässigkeit teuer zu stehen kommen kann: So sind kürzlich drei Anhänger der Demokratiebewegung wegen "subversiver Propaganda" zu Haftstrafen von drei bis fünf Jahren verurteilt worden. Das Urteil schreckte die EU auf und wurde vom deutschen Präsidenten Horst Köhler bei seinem Besuch in Hanoi kritisiert.
Doch gegen "Informationen, die dem Staat schaden könnten" - wie es im Strafgesetzbuch heißt -, halten die Machthaber ihre Ohren offen. So müssen im Universitätsalltag Studenten vorsichtig sein, welche Ansichten sie äußern.
Denn die Partei ist allgegenwärtig, was sich auch im Straßenbild zeigt. Hanoi ist übersät mit Propagandaplakaten, die etwa die Opfer des Krieges preisen. Tatsächlich verleihen die Kriege gegen die französischen Kolonialherren und die USA der Partei bis heute Legitimität. Sie wird von vielen als der Garant für die Unabhängigkeit und Einheit des Landes angesehen.
Doch auch wenn man in der Geschichte noch weiter zurückblickt, findet man Gründe für die Stabilität des Systems. Vor der Kolonialzeit bestimmte jahrhundertelang der Konfuzianismus die Wertvorstellungen der Vietnamesen und er prägt bis heute das Land. Ein entscheidender Aspekt des Konfuzianismus ist der Gehorsam gegenüber Autoritäten. Die Partei verstand es ihre ganze Geschichte hindurch geschickt, diese konfuzianistische Tradition für sich zu instrumentalisieren und sich als Familienoberhaupt der Nation zu präsentieren. Berühmtestes Beispiel dafür ist Parteigründer Ho Chi Minh - auch Onkel Ho genannt.
Die heutigen Familienoberhäupter sind Präsident Nguyen Minh Triet und Premier Nguyen Tan Dung. Wie es mit Vietnam weitergeht, beschließen sie im innersten Parteizirkel. Von außen haben sie derzeit wenig zu fürchten. Der Großteil der Vietnamesen wird weiterhin in erster Linie danach trachten, am Wirtschaftsaufschwung teilzunehmen. Und wenn die Partei dazu aufruft, geht man halt zwischendurch einmal wählen.