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Die Wahlschlacht ist eröffnet

Von Alexander U. Mathé

Politik

Barack Obama und Mitt Romney starten Krieg der Worte | Rick Santorum wirft das Handtuch.


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Washington/Wien. Das Duell um die US-Präsidentschaft hat begonnen. Trotz schwindender Siegeschancen hatte Rick Santorum den Favoriten um die republikanische Kandidatur, Mitt Romney, über Wochen in Schach gehalten. Nach Bekanntgabe seines Ausscheidens aus dem Rennen am Dienstag brachen die letzten Dämme und sowohl Amtsinhaber Barack Obama als auch sein voraussichtlicher Widersacher Romney legten los.

"Es hat Gerede über einen Krieg gegen Frauen gegeben", sagte Romney noch am Abend nach Santorums Ausscheiden. Die Demokraten hatten den Republikanern immerhin frauenfeindliche Politik vorgeworfen. "Doch der wahre Krieg gegen Frauen wird von der Regierung Obama dadurch geführt, dass sie auf dem Gebiet der Wirtschaft versagt." 92,3 Prozent: Das sei der Anteil der Frauen an den Jobverlusten, zu denen es seit der Vereidigung Obamas 2009 gekommen ist.

Damit griff Romney gleich an zwei Fronten an. Zum einen bei weiblichen Wählern, die seit von den Republikanern forcierten Debatten gegen Abtreibung und die Pille auf Krankenkasse Obama um fast 20 Prozentpunkte favorisieren. Zum anderen bei Romneys Leibthema und Primärwaffe: die Wirtschaft. Mit ihr will er im Duell mit Obama die entscheidende Gruppe der Unabhängigen sowie Wähler der Mitte für sich gewinnen. Als erfolgreicher Geschäftsmann, der ein sattes Vermögen von 250 Millionen Dollar angesammelt hat, kann er glaubhaft vermitteln, in wirtschaftlichen Belangen über eine beträchtliche Kompetenz zu verfügen, während schlechte Wirtschaftsdaten, Konjunkturflaute und Rekord-Staatsverschuldung Obama zu schaffen machen.

Obama "europäischer Sozialist"

Der Präsident versuche, die USA nach dem Vorbild des "europäischen Sozialismus" zu formen und gefährde damit Freiheit sowie wirtschaftlichen Erfolg. Obama sei gescheitert und unfähig, die USA aus der Wirtschaftskrise zu führen, so der Tenor von Romneys Kampagne. Doch die Zeit läuft gegen ihn. Von Monat zu Monat bessert sich die Lage in den USA. Beispielhaft dafür ist die Arbeitslosenrate. Betrug sie noch im Dezember 2010 9,8 Prozent, so sank sie konstant, erreichte 9,1 Prozent im Oktober letzten Jahres und hält nun bei 8,2 Prozent - so tief war sie das letzte Mal vor drei Jahren - Tendenz weiter fallend.

Obamas Antwort auf Romneys Strategie sind die Schlagworte "Fairness" und "Gerechtigkeit". Das von Romney angepriesene System funktioniere nicht. Das habe die Ära seines Vorgängers Bush gezeigt, die die USA an den Rand des Finanzkollapses getrieben und lediglich die Reichen reicher gemacht habe. "Was unsere ganze Wirtschaft herunterzieht, ist, wenn die Früchte des Wirtschaftswachstums und der Produktivität nur den Wenigen zufließen", legt denn auch Obama am Mittwoch in einer Rede an der Universität von Boca Raton im Bundesstaat Florida los.

Hier greift der Präsident seinen Kontrahenten persönlich an. Denn der Multimillionär profitiert von dem US-Steuersystem, das er beibehalten und Obama ändern will: Für seine Einkünfte in Höhe von 40 Millionen Dollar in den vergangenen zwei Jahren zahlte Romney nur rund 15 Prozent Steuern, da es sich um Einkünfte aus Kapitalerträgen handelt. Angestellte zum Beispiel zahlen hingegen einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent. Obamas Team will Romney nun als Kandidaten der Reichen abstempeln und würzt diese These noch mit unglücklichen Zitaten Romneys. So erzählte der etwa von den "paar Cadillacs", die er besitze, oder bot seinem früheren Kontrahenten Rick Perry eine Wette über zehntausend Dollar an, während seine Frau Ann bescheiden erklärte, sie halte sich nicht für reich.

Schlammschlacht

durch Super-PACs

Vor diesem Bild inszeniert sich Obama als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit. Er will die sogenannte Buffett-Regel einführen, benannt nach dem milliardenschweren Investor Warren Buffett, der die Idee geboren hat. Ihr zufolge sollen Amerikaner ab einem Einkommen von einer Million Dollar im Monat mindestens 30 Prozent Steuern zahlen. Buffett selbst wirbt dafür, da er bisher einen niedrigeren Steuersatz als seine Sekretärin zahlen muss.

Hinter Romney steht, hier irrt Obama nicht, tatsächlich das Gros der Reichen und der Wall Street und somit auch das große Geld. Das wird heuer wegen der sogenannten Super-PACs (siehe Kasten unten) eine außerordentlich große Rolle spielen. Denn Unterstützern sind praktisch keine Grenzen mehr in der Finanzierung ihrer Lieblingskandidaten gesetzt.

David Axelrod, Kommunikationsdirektor vom Obamas Wahlkampftruppe und Chef seiner letzten Präsidentschaftskampagne, prangerte diesen Umstand bereits an: "Mit Geld kann man keine Liebe kaufen, aber die Nominierung der Republikanischen Partei", schrieb der frühere Chefberater im Weißen Haus im Kurznachrichtendienst Twitter.

Doch im Moment hat Romney andere Sorgen. Vor allem mit drei Wählerschichten hat er zu kämpfen: die bereits erwähnten Frauen, Latinos und die Anhänger der radikalen Protestbewegung Tea Party. Bei keiner dieser Gruppen kann der 65-Jährige punkten. Abfedern soll das sein "running mate", also der Vizepräsidentschaftskandidat an seiner Seite, den er demnächst nominieren sollte.

Doch welche Kombination nehmen? Mit dem Senator aus Florida, Marco Rubio, beispielsweise wären Latinos und Tea Party abgedeckt. Ist er doch ein unumstrittener Star der Protestbewegung und hat kubanische Eltern. Oder lieber eine Frau mexikanischer Abstammung wie Susana Martinez? Beide haben zwar bereits abgewinkt, doch das wird eher als Geste des Anstands gewertet denn als tatsächliche Absage.

An die Kombination Tea Party und Frauen mögen derzeit nur die wenigsten denken. Würde das doch nach einem Wiederauferstehen von Sarah Palin klingen, die schon vor vier Jahren an der Seite von John McCain gegen Obama kämpfte. Mit ihren serienmäßigen Tritten ins Fettnäpfchen und Zurschaustellung politischer Unwissenheit galt sie schon seinerzeit als unmöglicher Partner und dürfte McCain ordentlich Nerven gekostet haben.

Favorit ist derzeit jemand, der lediglich eine Flanke abdecken kann: der 42-jährige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Repräsentantenhauses, Paul Ryan. Dafür könnte der Tea-Party-Vertreter zum ersten Mal seit fast dreißig Jahren die Wähler seines Stammstaates Wisconsin dazu bringen, einen republikanischen Präsidenten zu wählen.

Leicht wird es für Romney mit keinem der Kandidaten. Der neuesten Umfrage der "Washington Post" zufolge führt Obama gegenüber dem Republikaner mit 51 zu 44 Prozent der Stimmen. Doch Analysten geben jetzt schon zu bedenken, dass dieser Vorspürung außerordentlich gering ist. Immerhin wird Romney als schwächster republikanischer Präsidentschaftskandidat der letzten Jahrzehnte eingeschätzt. Und beginnt Romney einmal aufzuholen, wird sich die kommenden sieben Monate ein an Spannung kaum zu überbietendes Kopf-an-Kopf-Rennen entspinnen.