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Die nunmehr vorliegende Studie über die Motive der irischen Bevölkerung anlässlich des Referendums zum Lissabon-Vertrag bringt eigentlich keine neuen Erkenntnisse.
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Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 19./20.Juni in Brüssel, der sich vor allem mit den Konsequenzen des negativen irischen Referendums vom 12.Juni über den Vertrag von Lissabon beschäftigte, kündigte der irische Premier Brian Cowen eine Erforschung der Ursachen an. In der Folge fasste die irische Regierung am 24. Juni den Beschluss, ein Forschungsprojekt über die Ursachen der Verwerfung des Lissabonner Vertrages in Auftrag zu geben, das bis zum nächsten Europäischen Rat Mitte Oktober vorliegen sollte.
Das mit dem Auftrag betraute Institut Millward Brown IMS legte bereits am 11. September seine Untersuchungsergebnisse vor. Diese gründeten sich auf die Befragung einer Grundgesamtheit von 2101 Erwachsenen, die in der letzten Juliwoche durchgeführt wurde.
Wie erwartet enthält die Studie im Grunde keine signifikanten Aussagen hinsichtlich der entscheidenden Gründe für das Nein der Iren. Lediglich zwei ganz grundsätzliche Erkenntnisse lassen sich feststellen: zum einen der Umstand, dass in der irischen Bevölkerung durchgehend ein großes Informationsdefizit über die EU im Allgemeinen und über den Vertrag von Lissabon im Speziellen vorherrscht und zum anderen dass ein zweites Referendum ohne inhaltliche Änderungen wieder negativ ausfallen würde. Damit muss den Iren genug Zeit gegeben werden, sich mit den Inhalten des Lissabonner Vertrages vertraut zu machen. Ebenso muss die irische Regierung danach trachten, substantielle Zusagen von den anderen Mitgliedstaaten zu erhalten, um damit der Bevölkerung wenigstens einige Neuerungen als "Rosinen" präsentieren zu können.
Allgemeine Unkenntnis
Im Einzelnen brachte die Studie folgende Erkenntnisse. Der Hauptgrund für die Nichtteilnahme am Referendum war die allgemeine Unkenntnis über den Gegenstand der Volksabstimmung (46 Prozent), lediglich 26 Prozent der Ablehnenden gaben an, dass sie spezielle Elemente des Lissabonner Vertrages nicht akzeptieren konnten.
Allgemeine Unkenntnis war mehrheitlich auch verantwortlich für die Nein-Stimmen (42 Prozent). Die Hauptgegner waren Jugendliche (59 Prozent) und Frauen (56 Prozent). Ein Großteil der Ja-Stimmen bezog sich weniger auf gewisse Vorteile des Vertrages, sondern war hingegen Ausdruck einer allgemeinen Pro-Europa - Einstellung der meisten Iren (70 Prozent).
Entscheidend war der Anstieg der Nein-Wähler an der Gesamtheit der Wähler von 18 (während des ersten negativen Referendums über den Nizza-Vertrag 2001) auf 28 Prozent und nicht die Abstinenz der Ja-Wähler.
Trotz des eindeutig diagnostizierten Informationsdefizits über die EU gibt es überwiegend unter der jüngeren Wählerschaft interessanterweise aber nur eine sehr geringe Bereitschaft, sich diesbezüglich weiterzubilden. Wähler über 35 Jahre wiederum zeigten eine gewisse Bereitschaft, sich dementsprechend zu informieren.
Neutralitätsverlust & Co
An Sachfragen dominierten Angst vor der Erosion der irischen Neutralität, der Abschaffung des Abtreibungsverbotes, der verpflichtenden Rekrutierung zu militärischen "Petersberg-Maßnahmen" zur Friedenssicherung, dem Verlust des irischen Kommissars, der Kontrolle über die öffentlichen Dienste und der Erhöhung der niedrigen Unternehmenssteuern. Die am meisten geäußerte Befürchtung war allerdings der mögliche Verlust arbeitsrechtlicher Errungenschaften.
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