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Die "Währung des Vertrauens" schlittert in eine Krise

Von Gregor Kucera

Wirtschaft

Bitcoin wurde als Alternative zu klassischen Währungen erdacht, jeder kann das Geld erzeugen, doch nun scheint eine Blase zu platzen.| Die Geschichte der Kryptowährung, die Angst der Anleger um ihr Geld und ein Trend, der nicht gestoppt werden kann.


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Das Internet und seine Blasen. Eine Geschichte voller Höhen und Tiefen begleitet die Dotcom-Branche seit ihrer Gründung. Aus dem Nichts Milliarden-Dollar-schwere Unternehmen zu schaffen, war schon immer ein Quell von Traumkarrieren und tiefen Abstürzen.

Derzeit schickt sich eine neue Blase an bald zu platzen. Die Rede ist von "Bitcoins", jener alternativen Cyberwährung, korrekterweise müsste es "Kryptowährung" heißen, die auszog, die Geldwirtschaft  zu revolutionieren und nun vor dem Abgrund steht. Doch eines steht, den Kritikern zum Trotz, auch bereits fest: ein Trend wurde eingeläutet, und er lässt sich nicht mehr stoppen, egal was mit den Bitcoins passiert.

Eine simple Idee zur rechten Zeit
Die Idee war so simpel, wie genial – zumindest in einer Zeit der Geldentwertung, von Wirtschaftskrisen und Steueroasen. Virtuelles Geld. Ohne Banken im Hintergrund. Von den Menschen selbst zu erstellen oder über Online-Tauschplätze im Tausch gegen echtes Geld zu erwerben und weltweit handelbar. Der Wert der Bitcoins ergibt sich aus ihrer Beschränktheit. Vom Prinzip her, wie Rohstoffe, etwa Gold. Auch dieses kann abgebaut, ergo "gemined" werden und generiert den Wert aus Angebot und Nachfrage. Doch basieren Bitcoins - anders als Gold, das als rarer Rohstoff ein Wert an sich ist - allein auf Vertrauen in die zugrundeliegenden Kryptographie und dem Marktplatz, auf dem ich diese gegen eine andere Währung, Waren oder Dienstleistungen tauschen will. Statt auf Zentralbanken, die für Währungen bürgen, muss man sich als Bitcoin-Nutzer auf andere Internet-Portale verlassen. Das kann, wie nun im Fall mit dem Portal "Mt.Gox" zum Problem werden.

Was steckt hinter der Online-Währung Bitcoin?
Dass der Bitcoin dennoch Anhänger gewinnt, liegt auch an seiner Grundkonstruktion. Die Währungseinheiten können Nutzer selbst am Computer erstellen, indem mit hoher Rechnerleistung hochkomplexe mathematische Formeln – kryptografische Probleme -  gelöst werden. "In den Anfangszeiten reichte dafür ein normaler Computer vollkommen aus", erklärt Martin Mulazzani von der TU Wien und Forscher bei SBA Research, einem Kompetenz- und Forschungszentrum für Computersicherheit.

"Heute geht dies nur mit entsprechender Spezialhardware". Diese kann grundsätzlich von Einzelpersonen problemlos bezogen und eingesetzt werden, doch als "Einzelkämpfer" sind die Chancen auf Bitcoins und damit reales Geld sehr gering. "Die erfolgreichsten "Miner" (so der Terminus Technicus für jene Personen, die Bitcoins erschaffen) arbeiten in Teams, so genannten Mining-Pools. Diese versuchen gemeinsam so schnell wie möglich das kryptografische Problem zu lösen und damit Bitcoins als Belohnung zu erhalten."

Jede Münze hat ihre Zahlenfolge
Jede virtuelle Münze und auch jeder Teil davon, es können ja auch Teilbeträge gehandelt beziehungsweise erschaffen werden, ist klar definiert. "Ein Bitcoin besteht aus einer einmaligen Zahlenfolge, die von ihrem Besitzer mit seinem geheimen Schlüssel erzeugt wird. Wird nun eine neue Münze erzeugt, wird ein neuer Schlüssel generiert, der sicherstellt, wem die Einheiten zuzuordnen sind. Beim Handel wird der jeweilige Schlüssel um eine Zahlenfolge des neuen Besitzers ergänzt, und so wieder eindeutig definiert", so Mulazzani. Die Regeln am Mining-Markt sind klar: Alle zehn Minuten werden derzeit 25 Bitcoins erschaffen. Jene Anwender, die in diesem Zeitfenster am schnellsten ein Problem lösen, erhalten die virtuellen Münzen gut geschrieben beziehungsweise ihren Anteil am Gesamtkuchen, der sich aus investierter Rechenleistung und Energieverbrauch ergibt. "Strom ist eine wesentliche Größe im Bitcoin-Mining. In Ländern, in denen die Energiekosten niedrig sind, ist der relative Wert der Bitcoins am höchsten", so Mulazzani.

Die automatische Begrenzung
Doch die Geldmenge wird mit der Zeit automatisch begrenzt: Damit sie nicht ausufert, müssen immer schwierigere mathematische Probleme gelöst werden. So wird es im Jahr 2015 nur mehr 12,5 Bitcoins im Zehnminutentakt zu erschaffen geben. Dieser Wert wird so lange halbiert, bis keine Bitcoins mehr erzeugt werden können und damit die maximale Anzahl von Währungseinheiten erreicht ist. Dieser Wert ist auf maximal 21 Millionen Bitcoins, die in Umlauf sein können, beschränkt. Bislang  ist etwas mehr als die Hälfte dieses Wertes auch in Gebrauch. Ein Gesamtwert lässt sich lediglich schätzen, wird derzeit aber auf mehr als 1,3 Milliarden Dollar (943,7 Millionen Euro) taxiert. Im Schnitt kommt es täglich zu rund 50.000 Transaktionen. Experten rechnen damit, dass innerhalb des laufenden Jahrzehnts fast alle Bitcoins in den Umlauf kommen. Dies lockte zuletzt auch zahlreiche Risikokapitalgeber an, die in Firmen investierten, die mit Bitcoins arbeiten. Der bislang erzielte Spitzenwert von Bitcoins lag bei einem Wert von 1.203 Dollar Ende November 2013, nach zahlreichen Zwischenfällen und Diskussionen ist der Wert derzeit allerdings auf unter 577,1 Dollar gefallen. Immer noch eine große Summe, geht man von den 5 Dollar aus, die ein Bitcoin in der Anfangszeit wert war.

Ein weiteres Unikum liegt darin, dass Zahlungen mit Bitcoins nicht rückgängig gemacht werden können. Dafür erfolgen die Transaktionen innerhalb kürzester Zeit. Ein Umstand, der ebenfalls für viel Kritik sorgte, da man Schwarzgeldtransaktionen so schnell und einfach verschleiern kann.

Münze trifft Informationseinheit
Bitcoin als Form virtuellen Geldes (Kryptowährung) entstand im Jahr 2009 und ist ein Kunstwort aus den englischen Wörtern Bit (kleinste Informationseinheit) und Coin (Münze).  Die Geldeinheiten, so genannte Bitcoins, werden dezentral in einem Computernetz geschöpft und verwaltet. Dieses Netzwerk wird aus Teilnehmern selbst gebildet, die einen Bitcoin-Client ausführen und sich über das Internet miteinander verbinden. Die Bitcoins können elektronisch beliebig zwischen den Teilnehmern überwiesen werden. Ihr Besitz wird durch den Besitz kryptographischer Schlüssel nachgewiesen. Jede Transaktion von Geldeinheiten wird mit einer digitalen Signatur versehen und in einer öffentlichen, vom gesamten Netzwerk betriebenen Datenbank aufgezeichnet.

"Im gesamten Netzwerk läuft alles anonym ab. Es gibt keine Klarnamen, lediglich öffentliche Schlüssel, die quasi als Kontonummer fungieren. Daher kann man auch nicht mit Sicherheit sagen, aus welchen Ländern Bitcoin-Besitzer kommen. Es zeigt sich aber, dass in nahezu alle westlichen Industrienationen Computer am Bitcoin-Netwerk partizipieren.", so Aljosha Judmayer vom SBA Research. "Die meisten Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerks befinden sich im Moment in den USA und China."

Kein neues Konzept
Das Konzept von Bitcoin wurde 2008 in einem Konzeptpapier von Satoshi Nakamoto auf einer Mailingliste über Kryptographie vorgeschlagen und basiert auf der Idee einer kryptographischen Währung, die 1998 von Wei Dai als b-money und von Nick Szabo als bit gold beschrieben wurde. Rund um die Person Satoshi Nakamoto gibt es weltweite Spekulationen. Laut Eigendefinition handelt es sich um einen Japaner, Ende 30, doch ist nach derzeitigem Kenntnisstand von einem Pseudonym einer Person oder einer Personengruppe auszugehen. Genaues weiß man nicht. Bekannt ist nur, dass sich Nakamoto Mitte 2010 aus der Entwicklung zurückzog und die Projektleitung an Gavin Andresen übergab.

Bitcoins hatten anfangs keinen in anderen Währungen bezifferbaren Wert. Erst 2010 wurden die ersten Wechselkurse durch Personen in einschlägigen Foren ausgehandelt. Und erste Bekanntheit erlangte die Währung, als in den USA zwei Pizzen für 10.000 Bitcoins gekauft wurden. Zu den ersten kommerziell angebotenen Waren gehörten Alpaka-Socken, die im Laufe der Zeit zum Internet-Phänomen wurden. Mittlerweile bezahlen Unternehmen sogar Gehälter in der virtuellen Währung und "Bankomaten" sollen das virtuelle Zahlungsmittel in der Realität stärker verankern.

Ein selbstverschuldetes Scheitern
Die aktuellen Diskussionen rund um die virtuelle Währung wurden durch das Ende der ältesten und größten Handelsplattform, Mt.Gox, geschürt.  Während der Betreiber nach langem Schweigen die Anleger mit kurzen Meldungen zu beschwichtigen sucht, sieht die Bitcoin-Stiftung keine Gefahr für ihr Produkt. Schuld am plötzlichen Scheitern des Dienstes seien die Betreiber der Plattform. "Die Schließung von Mt.Gox sei auf Fehler des Unternehmens zurückzuführen", sagte Bitcoin-Stiftungsdirektor Jon Matonis. "Sie sind gescheitert, weil sie - wie es aussieht - nicht die nötigen Prüfungen durchgeführt haben. "Die Aufsichtsregeln wurden nicht befolgt."

Die plötzliche Schließung von Mt. Gox rief nun auch die Behörden in Japan und den USA auf den Plan. In Tokio, dem Sitz der Börse, untersuchen unter anderem Polizei und Finanzministerium den Fall. In den USA wurde die Staatsanwaltschaft in New York aktiv.

Höhenflug, Spekulationsobjekt und Fall
Die Unsicherheit im Zuge der Schuldenkrise hat der umstrittenen virtuellen Währung Bitcoin einen Höhenflug beschert. Kritiker halten den Boom für eine Spekulationsblase  und sehen in dem Internet-Geld aber keine Alternative zu klassischen Währungen, sondern orten reine Spekulationen. Dieser Meinung ist man im Übrigen auch bei der Österreichischen Nationalbank. Dort heißt es: "Die OeNB sieht Bitcoins in Österreich aktuell als ein Nischenphänomen.  Bitcoins sind keine Währung, sondern sind ein Spekulationsobjekt.  Sie unterliegen keiner Aufsicht. Wie andere Notenbanken und Finanzmarktaufseher warnt die OeNB Anleger, dass damit sehr große Risiken verbunden sind."

Das Thema Sicherheit
"Die Sicherheitsthematik beim Thema Bitcoin ergibt sich an unterschiedlichen Punkten", so Judmayer. Dies beginnt beim Endgerät der einzelnen Nutzer. "Wenn ein Computer mit allen wichtigen Informationen, wie etwa den Bitcoin-Schlüssel gehackt, gestohlen oder zerstört wird, sind auch die Bitcoins weg." Ein anderer Aspekt ist der gesunde Menschenverstand. "Meine Kreditkarteninformationen gebe ich nicht wildfremde Personen weiter, bei Bitcoins gibt es noch kein vergleichbares Sicherheitsbewusstsein." Und geht bis in die Grundfesten der Infrastruktur. "Bei Mt. Gox wurde etwa eine bekannte Schwachstelle nicht geschlossen und so konnte Schaden angerichtet werden", erläutert Judmayer. Die Grundlagen zur Berechnung der virtuellen Münzen und auch die Schlüssel beziehungsweise deren Schaffen gelten hingegen als sicher. Wer auch immer die Schuld trägt, fest steht, dass die Schließung von Mt.Gox den Kurs der Bitcoins auf Talfahrt schickte.

Ein Trend, der weitergeht
Und noch etwas ist sicher: Es geht weiter. Egal ob mit oder ohne Bitcoin. Diese sind zwar am bekanntesten, am erfolgreichsten und am weitesten verbreitet. Aber weder war es die erste, noch wird es die letzte "kryptografische Währung" sein. Der Trend wurde eingeläutet.

Zahlreiche andere virtuelle Währungen wie beispielsweise Litecoin, Namecoin oder Dogecoin, die den gleichen Prinzipien folgen, werden weltweit erschaffen. Schlussendlich wird es eine Frage der Akzeptanz sein. Wo kann man mit der Währung handeln, wie kann man sie einsetzen? Und eine staatliche Kontrolle oder gar ein Verbot scheint unmöglich. Da die Währung nur virtuell vorliegt, global erzeugt wird und nicht dingfest gemacht werden kann, kann sie auch nicht mehr abgeschafft werden. Die einzige Möglichkeit besteht darin, wie etwa in Deutschland geschehen, Steuern auch auf Bitcoins einzuheben oder aber die legalen Handelsplätze zu schließen. Somit ist es wie immer am freien Markt. Angebot und Nachfrage werden entscheiden und die Konsumenten.

Kursverlauf der Bitcoins
Aktueller Bitcoin-Kurs
SBA Research
Österreichische Nationalbank