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Die Wall Street verliert ihr Herz Glück und Ende der Investmentbanken

Von Stefan Melichar

Analysen

Sie galten als das Herz der Wall Street: Namen wie Goldman Sachs, Bear Stearns, Morgan Stanley, Merrill Lynch und Lehman Brothers standen als Inbegriff der modernen Finanzwelt jahrzehntelang für hohe Gewinne, fette Manager-Gagen und undurchschaubare Geschäftsideen. Seit Montag sind die fünf bedeutendsten reinen Investmentbanken entweder pleite, verkauft oder sie mussten sich zumindest von ihrem angestammten Geschäftsmodell verabschieden.


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Dass ausgerechnet eine schwere Krise des Finanzsystems die Ära der großen Investmenthäuser beendet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, sind sie doch just aus einer solchen hervorgegangen: Als Reaktion auf den Zusammenbruch des Banksystems während der Großen Depression verabschiedet US-Präsident Franklin D. Roosevelt 1933 den sogenannten Glass Steagall Act. Dieses Gesetz sieht die strikte Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken vor. Erstere dürfen im Spareinlagengeschäft tätig sein, müssen dafür aber strengere Regeln einhalten. Zweitere hingegen können auf wesentlich riskantere - und dafür ungleich profitträchtigere - Praktiken setzen.

Ende der 90er-Jahre wird das Gesetz aufgehoben, viele Geschäftsbanken legen sich eigene Investmentsparten zu. Reine Investmenthäuser existieren jedoch weiter: Diese leben zu einem Gutteil von Wertpapiergeschäften, die sie entweder für sich selbst oder im Auftrag von Großinvestoren betreiben. Außerdem treten sie häufig als Berater bei Firmenübernahmen in Erscheinung. Eine entscheidende Rolle spielen sie zudem immer dann, wenn es darum geht, viel Geld aufzutreiben. Die Palette reicht von der Betreuung von Börsengängen bis zur Umstrukturierung und zum Weiterverkauf von Kreditpaketen.

Gerade Letzteres ist der Branche nun auf den Kopf gefallen: Das Vertrauen in die Investmentbanken hat unter massiven Verlusten und Abschreibungen auf verbriefte Hypothekenanleihen derart gelitten, dass ihnen zuletzt niemand mehr günstiges Geld zur Refinanzierung leihen wollte. Ohne Einlagengeschäft und ohne Kapitalzuschüsse waren Lehman und Co dazu verdammt, innerhalb kürzester Zeit auszutrocknen.

Als letzte Rettung haben die beiden verbliebenen unabhängigen Häuser Goldman Sachs und Morgan Stanley nun den Status von Geschäftsbanken zugesprochen bekommen. Damit unterwerfen sie sich einer schärferen Regulierung und strengeren Kapitalvorschriften. Im Gegenzug erhalten sie Notenbankkredite zu günstigeren Konditionen.

Inwieweit diese Banken nun im Einlagengeschäft reüssieren können, bleibt abzuwarten. Das reine Investmentbanking wird es künftig aber wohl nur noch in kleinerem Rahmen geben - etwa durch sogenannte Boutiquen, die sich auf einzelne Dienstleistungen spezialisieren.