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Die Wandlung des Olaf Scholz

Von Alexander Dworzak

Politik

Der deutsche Finanzminister gibt sich neuerdings kantig, kämpft um die Regierungsbeteiligung und erhebt trotz miserabler Umfragewerte Anspruch auf die Kanzlerkandidatur.


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Als Parteivorsitzender demonstrierte Martin Schulz, wie man es nicht machen darf. Nach ständigen Kurswechseln hielt er sich nicht einmal ein Jahr an der Spitze der SPD und legte im Februar 2018 sein Amt zurück. Einer der vielen bei den deutschen Sozialdemokraten, die ihm damals keine Träne nachweinten, war Olaf Scholz. Für ihn hatte der hemdsärmelige Schulz bei einem Versöhnungsgespräch im "Spiegel" Anfang November einen Ratschlag parat: "Du musst den Leuten zeigen, dass in dir die Leidenschaft brennt, uns wieder nach vorn zu bringen."

Es schien eine unlösbare Aufgabe für Scholz, den Prototypen eines unterkühlten Hanseaten. Einen Mann, der seine Wahl zum Hamburger Bürgermeister 2011 in einem TV-Interview mit den Worten kommentierte: "Ich versuche, die Arbeit, die ich zu tun habe, immer ordentlich zu machen." Und der Jahre zuvor, als SPD-Generalsekretär, grandios an der Aufgabe scheiterte, den Bürgern die Notwendigkeit der links verhassten Arbeitsmarkt- und Sozialreformen Agenda 2010 zu erklären. Stattdessen erntete Scholz Häme. Für seine wiederkehrend nichtssagenden Sätze erhielt er den Spitznamen "Scholzomat".

Wunsch nach einer "kämpferischen SPD"

Seit dem Weckruf durch Schulz zeigt der 61-Jährige, dass er auch anders kann. Er wünscht sich nun eine "kämpferische SPD", die auch stolz sei auf Erreichtes in der schwarz-roten Koalition auf Bundesebene.

Wie hältst du es mit der gebeutelten großen Koalition, das ist eine der großen Trennlinien im Rennen um den SPD-Vorsitz. Finanzminister Scholz und Klara Geywitz wollen die Regierungsarbeit fortsetzen. Ihre Konkurrenten Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken buhlen um die Skeptiker (Walter-Borjans) und Gegner (Esken). Unterstützt werden sie von den Jungsozialisten unter Kevin Kühnert, Chefkritiker der Regierungsbeteiligung.

Lautstärke bedeutet aber nicht Zustimmung. Das mussten Kühnert und Kollegen erfahren, als zwei Drittel der SPD-Mitglieder 2018 für den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU stimmten. Bis zum 29. November können nun die knapp 430.000 Genossen darüber abstimmen, welches Vorsitzteam die älteste Partei Deutschlands anführen soll. Tags darauf wird das Ergebnis bekanntgegeben.

Im ersten Wahlgang lagen Scholz und Geywitz nur knapp vorne. Von Scholz’ Kanten war damals noch nichts zu merken, und die weitgehend unbekannte Ex-Landtagsabgeordnete aus Brandenburg entfachte auch keine Begeisterung.

Anders die Konkurrenz. Walter-Borjans ließ einst als Finanzminister Nordrhein-Westfalens mit Steuergeldern CDs aufkaufen, welche die Daten von "Steuerflüchtlingen" preisgaben. Scholz hingegen hängt der Ruf nach, finanzpolitischer Erfüllungsgehilfe des konservativen Koalitionspartners zu sein. Er verteidigt vehement die "schwarze Null" - die Scholz parteifarbentechnisch natürlich nicht so nennt. In der Praxis führt er die Politik seines CDU-Vorgängers Wolfgang Schäuble fort. Seit 2014 macht der Bund keine neuen Schulden, Einnahmen und Ausgaben stehen bei rund 360 Milliarden Euro.

Weg mit der "schwarzen Null" und mehr investieren?

Die Frage nach Investitionen und Schulden ist neben der nach der Koalition die zweite Trennlinie zwischen den Kandidaten. Mit dem Klimapaket und jährlichen Investitionen über 40 Milliarden Euro gebe Schwarz-Rot "richtig viel Geld" aus, meint Scholz. Esken kontert, alleine bei den Schulen gebe es einen Sanierungsstau von 38 Milliarden Euro. Die vorgesehenen Bundesmittel von etwas mehr als einem Zehntel seien laut der Bundestagsabgeordneten "ein Tropfen auf den heißen Stein". Sie fordert ein Investitionspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro. Zudem solle der Mindestlohn auf "zwölf Euro oder darüber" angehoben werden - derzeit sind es 9,19 Euro pro Stunde.

Esken fordert von CDU und CSU Nachbesserungen im Koalitionsvertrag, ansonsten ist die SPD-Regierungsbeteiligung Geschichte. "Der Koalitionsvertrag gilt, und er wird ganz sicher nicht neu verhandelt", richtete CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer aus, die unter parteiinternem Druck steht. Eine Entscheidung fällt die SPD bei ihrem Parteitag im Dezember.

Senken die Delegierten den Daumen für die Koalition, steht eine Bundestagswahl an. Angesichts von nur 15 Prozent in Umfragen fürchten Walter-Borjans und Esken, dass die SPD bei der Nominierung eines Kanzlerkandidaten ausgelacht wird. Wer verzichte, "macht die SPD klein - und das hat die Sozialdemokratische Partei nicht verdient", entgegnete Scholz.

Einig sind sich die Kandidatenpaare in ihrer Hoffnung, in die Partei möge endlich Geschlossenheit einkehren. Sollte sich ein Duo nur knapp durchsetzen, drohen jedoch die Konflikte bei erstbester Gelegenheit wieder aufzubrechen.