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Die Positionen der Präsidentschaftskandidaten sind nicht in Stein gemeißelt.
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Washington/Wien.

Der renommierte Journalist Jack Germond war vom republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Romney regelrecht frustriert. Wenn der reiche Unternehmer in einer seiner eher langatmigen Reden Stellung bezog, kam es schon einmal vor, dass er die später korrigierte - natürlich nicht, ohne gleichzeitig festzuhalten, dass diese letzte Version das war, was er von Anfang an gemeint hatte. Germond wollte deshalb auf seiner Tastatur eine eigene Taste für Romney haben. Wenn er sie drückte, sollte automatisch geschrieben werden: "Wie Romney später erklärte..."
Das war 1968 und der Romney, um den es ging, war George Romney. 44 Jahre später wiederholt sich die Geschichte mit seinem Sohn Mitt. Auch er ist ein reicher Unternehmer, auch er will Präsident werden, auch er gilt als langweiliger Redner und auch er revidiert schon einmal seine Meinung. Das macht es relativ schwer auszurechnen, wo Romney tatsächlich steht.
Mal ist er für einen kontrollierten Waffenbesitz, dann wieder für einen bedingungslosen. Sprach er sich früher für die Möglichkeit aus, dass illegale Einwanderer die Möglichkeit erhalten, US-Bürger zu werden, so lehnt er dies heute ab. Momentan sehr prominent ist das Thema Abtreibung. Romney hat versprochen, im Falle seiner Wahl Richter an den Obersten Gerichtshof zu bringen, die das Abtreibungsgesetz kippen. Einige Jahre zurück hatte er noch erklärt, es mit der Position seiner Mutter zu halten, die sich 1970 als Senatorin beworben hatte: "Ich glaube, dass Abtreibung sicher und legal in diesem Land sein sollte."
Romneys Gegner, Präsident Barack Obama, hingegen ist klar für Abtreibung, doch auch bei ihm ist nicht jede Position in Stein gemeißelt. Trat er früher noch gegen die Homo-Ehe auf, so ist er heute dafür - im Gegensatz, selbstverständlich, zu Romney, der sich allerdings in der Vergangenheit für Homosexuellen-Rechte stark gemacht hatte.
Auch Obamas Bilanz als Präsident verrät ein gewisses Maß an Inkohärenz, auch wenn nicht klar ist, ob er gewisse Vorhaben nicht durchsetzen konnte, oder nicht wollte. Das Gefangenenlager in Guantánamo ist so ein Beispiel. 2008, während des Wahlkampfs, versprach er es zu schließen, doch es steht noch immer. Er versprach Investitionen in alternative Energiegewinnung; die kamen zwar, jedoch werden gleichzeitig dutzende neue Atomkraftwerke geplant.
Soziale Gerechtigkeit wird zum Wahlkampfthema
Ein großes Versprechen hat Obama jedoch gehalten und das, obwohl er wusste, dass er damit seine Karriere aufs Spiel setzt: Er hat das Gesundheitssystem in den USA reformiert und durchgesetzt, dass bis auf einige wenige Ausnahmen jeder Amerikaner krankenversichert sein muss. Ein sozialistischer Zug, wie ihm die Republikaner vorwerfen. Dabei ist das ein Punkt in dem sich Romney und Obama eigentlich ähneln: Als Gouverneur von Massachusetts hatte Romney eine ähnliche Reform in seinem Bundesstaat durchgesetzt. Jetzt allerdings will er nichts mehr davon wissen und verspricht, alles zu tun, das Regelwerk wieder zu Fall zu bringen.
Vergangenheit hin, Sozialismus her, heute charakterisiert sich an dieser Kontroverse wahrscheinlich am besten der große Gegensatz dieses Wahlkampfs. Mit Obama und Romney prallen mehr denn je zwei Welten aufeinander.
"Inequality" , Ungleichheit, ist eines der Schlagworte Obamas. Unvorstellbar eigentlich in Amerika. Noch in den 50er Jahren wäre er mit so einem Slogan vielleicht als Kommunist verfolgt worden. Nun ist das Thema soziale Gerechtigkeit sogar wahlkampffähig. Der Demokrat plädiert für einen starken und fürsorglichen Staat. Die Reichen sollen zur Kasse gebeten werden, um dem "kleinen Mann" zu helfen. Er will mindestens 30 Prozent Steuern für Millionäre. Steuerbegünstigungen für Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 250.000 Dollar im Jahr will er abschaffen, statt dessen sollen staatliche Konjunkturprogramme geschaffen werden. Das stille Einvernehmen zwischen Geldadel und Politik will er aufbrechen.
Obama richtet sich gegen das Establishment

Schon als er 2008 für das Präsidentenamt kandidierte , hatte er sich polemisch gegen Washington gerichtet, gegen die Hauptstadt, von der aus Technokraten und Geld die Welt regierten. Den Republikaner Romney dieser Welt zuzurechnen, befleißigt sich Obamas Wahlkampfteam mit Eifer.
Obamas Welt hingegen ist eine andere. Sein kenianischer Vater konnte ihm nicht auf dem Weg an die Spitze der Politik helfen. Im Gegenteil. Noch immer hält sich unter Republikanern hartnäckig das Gerücht, Obama sei gar nicht in Amerika geboren und habe daher kein Recht Präsident zu sein.
Den Gegenbeweis hat Obama bereits angetreten. Pikanterweise müsste in diesem Punkt Romney besonderes Verständnis haben. Immerhin ist sein Vater in Chihuahua in Mexiko geboren. Die Demokraten waren sich seinerzeit jedoch einig, dass sie dieses Detail nicht näher verfolgen würden, da der entsprechende Punkt in der Verfassung ohnedies Spielraum zur Interpretation lasse.
Romneys Welt wiederum ist jene des freien Marktes. Die Unternehmenssteuer will er senken, die Erbschaftssteuer abschaffen. Die Stützung der Wirtschaft durch die US-Notenbank widerstrebt ihm. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass die "Hoffnung" die Obama seinerzeit geweckt hat und der "Wandel", den er versprach, bei den meisten Amerikanern gut ankamen. Doch für ihn sind das Träumereien und leere Worte. "Präsident Obama hat versprochen, den Anstieg des Meeresspiegels zu verlangsamen und den Planeten zu heilen. Mein Versprechen ist es, Euch und Euren Familien zu helfen", sagte er am an seinem Nominierungsparteitag. Emissionsbeschränkungen sind für ihn
Ebenso will Romney eine starke Armee für ein starkes Amerika. Obama hingegen tritt zwar gegen militärische Einsätze auf, doch wieder ist es seine Bilanz, die eine andere Sprache spricht. Der Krieg in Afghanistan wurde - wie 2008 angekündigt - ausgeweitet und mit Drohneneinsätzen Jagd auf Terroristen gemacht. Ob das auch so gekommen wäre, hätte Romneys Vater George seinerzeit die Präsidentenwahlen gewonnen? Immerhin war er zuerst für den Vietnamkrieg und dann gegen ihn. George Romney kostete das die Vorwahl.