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Währungsfonds macht sich Sorgen um Russland und Türkei.
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Alpbach. Die Wirtschaftsleistung der EU liegt immer noch knapp unter 2008, als die Krise begann. Derzeit macht sich ein leichter Aufschwung bemerkbar, der von der Nationalbank dankbar aufgenommen wird. Die Wachstumsprognose für Österreich wird für heuer leicht von 0,3 auf 0,5 Prozent angehoben. Viel zu wenig, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, und gespickt mit jeder Menge Unsicherheit. Wifo-Chef Karl Aiginger bezeichnete die momentane Wirtschaftslage als "Waschbrett-Konjunktur". Wie deren Oberfläche geht es kurzfristig mal leicht nach oben, dann wieder leicht nach unten.
"Österreich hat seit Einführung des Euro einen permanenten Leistungsbilanzüberschuss. Das zeigt - anders als in irgendwelchen Rankings - die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und auch, dass wir zu den Euro-Gewinnern zählen", sagte Nationalbank-Chef Ewald Nowotny beim Forum Alpbach. Der noch stärkere Überschuss von Deutschland in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung wirke aber bereits kontraproduktiv, so Nowotny. Das gehe zu Lasten vor allem der südeuropäischen Länder.
"Große Verunsicherung"
"Die politische Krise ist überwunden", glaubt auch Wilhelm Molterer, Ex-Finanzminister und nun Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB). Beispiel: Italien steckt wegen des Berlusconi-Urteils in einer Regierungskrise, aber die Zinsen auf italienische Staatsanleihen fallen trotzdem. "Vor einem Jahr noch wäre das ganz anders gelaufen." Die Investitionstätigkeit in Europa insgesamt sei aber immer noch viel zu träge, vor allem die Großunternehmen halten sich zurück. "Es gibt eine große Verunsicherung, also warten viele mit Investitionsentscheidungen."
Eine der Unsicherheiten ist die Entwicklung in den großen sogenannten "emerging markets", Ländern, die sich in einem Aufholprozess befinden. So ging die Sorge um, dass die US-Notenbank ihre groß angelegtes Stützungsprogramm beendet und künftig weniger amerikanische Staatsanleihen kauft. Derzeit übernimmt die Fed monatlich US-Papiere im Volumen von 85 Milliarden Dollar - und stützt damit die Konjunktur. Es werde erst beendet, wenn die Arbeitslosenrate in den USA unter sechs Prozent fällt.
Trotzdem glaubten viele, dass mit dem Geldregen Schluss ist. Die Folge: Länder wie Indien, Brasilien, aber auch Russland und die Türkei mussten einen massiven Kapitalabfluss hinnehmen - und erhöhten die Leitzinsen auf die Landeswährungen. Das wiederum lässt das Wachstum einbrechen. "Der Internationale Währungsfonds hat zur Vorsicht gemahnt", sagte Nowotny. "Er denkt sogar an Maßnahmen wie direkte Interventionen für diese Währungen und Kapitalverkehrsbeschränkungen." Zweiteres würde wohl noch mehr Kapital aus diesen Ländern jagen. In Russland und der Türkei mit direkten Auswirkungen auf Österreich. Heimische Banken sind in Russland mit 36 Milliarden Euro engagiert, in der Türkei mit 1,3 Milliarden. In Russland ist die Raiffeisen Bank International am stärksten investiert, in der Türkei trifft es die Bank Austria.
Jobabbau im Bankensektor
Diese großen Länder haben sich aber zu bedeutenden Abnehmern der europäischen Industrie gemausert. Die Probleme dort würden auch die Exportwirtschaft in Europa treffen. Ein Beispiel: Der indische Lkw-Absatz ist um mehr als 40 Prozent eingebrochen, dort sind die europäischen Automobil-Produzenten stark vertreten.
Wenn es auch in China abwärts gehen sollte (was viele befürchten), würde das den Aufschwung in der EU beenden, bevor er begonnen hat. Beobachter gehen davon aus, dass die zuletzt geäußerte Befürchtung, die Europäische Zentralbank könnte die Zinsen leicht erhöhen, daher vom Tisch ist. Freilich ebenso wenig ist zu erwarten, dass die EZB stärkere Rücksicht auf die Arbeitsmarktentwicklung nimmt. Wichtigstes Ziel bleibt die Bekämpfung der Inflation, so steht es in den Europäischen Verträgen. In diesem Umfeld ist kaum mit einer Entlastung des Arbeitsmarktes zu rechnen. Im Gegenteil. In der europäischen Finanzwirtschaft drohen zehntausende Jobs verloren zu gehen.
"Die neue Normalität für die Banken heißt: weniger von allem", sagte Nationalbank-Direktor Andreas Ittner. Er ist verwundert, dass die Betriebsaufwendungen der Banken in Österreich daher gleich hoch sind wie vor Beginn der Krise. "Die Industrie hat auf der Kostenseite schärfer reagiert", erklärte Ittner. "Es ist ein weiter, langer und kräfteraubender Weg, den die Banken noch zu gehen haben." Derzeit sind in Österreich 80.000 Mitarbeiter in den Banken beschäftigt. Wie viele es in fünf Jahren sein werden, traut sich Ittner nicht einzuschätzen, nur bei einem ist er sich sicher: Es werden weniger sein.