Verfolgt man die Diskussion um die Situation des Bundesheeres, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei die Allgemeine Wehrpflicht Ursache zu beklagender Missstände.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch es ist nicht die Wehrpflicht, es ist vielmehr der politische Umgang damit in Österreich, der zu ihrer Diskreditierung führte. Es muss aber auch festgehalten werden, dass die Wehrpflicht für jeden männlichen Staatsbürger im Artikel 9a des Bundesverfassungsgesetzes verankert wurde. (Im gleichen Absatz 3 wurde dann auch der Ersatzdienst geschaffen. Dessen weitere Entwicklung, einschließlich des Sprachgebrauchs bis zur "Briefkartenlösung", ließ das Subsidiaritätsverhältnis des Ersatzdienstes zur Wehrpflicht allmählich aus der öffentlichen Diskussion verschwinden und trug damit wohl auch zur "Sterbehilfe" für die Idee der Wehrpflicht bei.)
Obwohl die Wehrpflicht dann auch unter dem Gesichtspunkt des Ermöglichens von Mobilmachung und nicht nur der Präsenzleistung verstanden schien und damit sinnstiftend war, wurde das System über die Verkürzungen der Dauer des Wehrdienstes bis zur Abschaffung der Waffenübungen im allgemeinen Verständnis beschädigt. Gleichsam komplementär dazu gab es in keiner Phase für das Bundesheer "militärtaugliche" Gesetzesbestimmungen, um das gute Mischsystem voll zur Wirkung zu bringen. Damit sind Regelungen im Bereich von Dienst-, Personal- und Besoldungsrecht zu verstehen, die auch für das Entstehen und Funktionieren eines Berufsheeres zwingende Voraussetzung sind.
Ist nun plötzlich der politische Wille gegeben, den Streitkräften in Österreich eine Ausgestaltung zu ermöglichen, die eine Balance zwischen Auftrag und Mitteln - und damit sind nicht nur die finanziellen gemeint - zu ermöglichen? Denkt man dann noch an die mögliche Streitkräfteentwicklung in der EU unter Bedachtnahme auf die Bedrohungslage (Terrorismusabwehr einschließlich "Cyber-Kriegen"), kann man zur Überzeugung kommen, dass für unser Land die Zweiteilung zwischen einer Profi-Truppe für internationale Einsätze und einer auf Wehrpflicht basierenden Milizorganisation mit der vorrangigen Aufgabe des "Heimatschutzes" die anzustrebende Lösung ist. Hier lässt sich nach allen Erfahrungen mit den Milizsoldaten erwarten, dass die Wehrpflicht argumentierbar bleibt. (Dass damit dem Bundesheer die Aufgabe bleibt, dazu auch durch entsprechende Gestaltung von Ausbildung und Übung beizutragen, muss wohl nicht extra erwähnt werden.)
Wir müssen dem Zug der Lemminge nicht folgen!
Karl Majcen war Generaltruppeninspektor des Österreichischen Bundesheeres.