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Ganz Österreich debattiert über die Abschaffung der Wehrpflicht und meint doch den Grundwehrdienst. Das ist allerdings nicht das einzig Ungefähre an der Diskussion.
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Zuerst einmal ein kleiner Beitrag zur begrifflichen Entwirrung: Selbstverständlich - besser gesagt: hoffentlich - denkt in Österreich niemand über die Abschaffung der gesetzlichen Wehrpflicht nach. Diese gilt in Österreich für alle männlichen Staatsbürger vom 17. bis zum 50., für Offiziere und Unteroffiziere sogar bis zum 65. Lebensjahr.
Worüber derzeit heiß diskutiert wird, ist die Abschaffung des sechsmonatigen Grundwehrdienstes, für den die Wehrpflichtigen bis zum 35. Lebensjahr eingezogen werden können.
Die Wehrpflicht ist quasi die gesetzliche Vorbeugung für den ultimativen Kriegs- beziehungsweise Katastrophenfall und nicht zuletzt für ein neutrales Land unabdingbar, falls die Notwendigkeit einer strategischen Neuorientierung aufkommen sollte.
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Im Bundesheer wird die Debatte um die Abschaffung des Grundwehrdienstes vor allem von jenen begrüßt, die federführend über eine Neuausrichtung der Streitkräfte nachdenken. "Die Debatte wäre früher oder später ohnehin auf uns zugekommen, spätestens dann, wenn der Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze ausläuft. Dann stellt sich nämlich die Frage, wofür man Wehrdiener in Fähigkeiten ausbildet, die sie später nie wieder anwenden werden können", erklärt etwa Generalmajor Johann Pucher, Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik.
Pucher plädiert fast händeringend dafür, dass sich die Politik endlich für eine ernsthafte und grundsätzliche sicherheitspolitische Debatte öffnet. Seine Hoffnungen setzt er diesbezüglich in die Arbeiten an einer neuen Sicherheitsstrategie für Österreich, die derzeit federführend von Verteidigungsminister Norbert Darabos und Außenminister Michael Spindelegger verhandelt wird.
Dabei geht es nicht zuletzt darum, ein realistisches wie finanzierbares Anforderungsprofil für das Bundesheer der Zukunft festzuschreiben:
* In welchen Regionen soll das Bundesheer für welche Aufgaben eingesetzt werden?
* Wie soll die Einbindung des Bundesheeres in die europäischen Strukturen aussehen?
* Welche Strukturen benötigt das Bundesheer zum Schutz Österreichs und im Fall von Katastropheneinsätzen?
Die Schwierigkeit besteht darin, das Anforderungsprofil mit den politisch definierten finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Dazu muss man wissen, dass nach Meinung sämtlicher Experten ein Berufsheer deutlich teurer kommt als eine Armee auf Wehrpflichtigen-Basis. Ein politischer Konsens darüber, den Wehretat maßgeblich aufzustocken, ist kaum vorstellbar.
Hinzu kommt, dass in ganz Europa die Debatte ganz ähnlich verläuft: Praktisch alle Staaten müssen ihre Budgets sanieren, die nationalen Sparpakete machen auch vor den Streitkräften nicht Halt. Wenn hier jedes Land seinen eigenen Weg geht, besteht die Gefahr, dass der militärische Arm der EU zu einem Torso verkommt, der keiner - und schon gar keiner internationalen - Aufgabe mehr gewachsen ist.
Mit dieser drohenden Entwicklung haben sich erst vor kurzem die EU-Verteidigungsminister befasst. Wenn Europa eine globale Rolle spielen will, werden starke Verdichtungsprozesse auf EU-Ebene unumgänglich sein, ist Pucher überzeugt. Dann geht es um Pooling und Sharing der nationalen militärischen Ressourcen.
Mit wem wird sich Österreich dann zusammentun? Fix ist nur, dass Grundwehrdiener für diese Aufgaben ungeeignet sind. Alles andere ist unklar.