In Wien tagen derzeit Tüftler mit ihren Erfindungen. Doch auch für Experten wird Laienwissen wichtiger.
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Wien. Dieses Wochenende geht Wien ein Licht auf. Zumindest sprichwörtlich, wenn die Daniel Düsentriebs dieser Welt heute, Samstag, und morgen, Sonntag, im ehemaligen Semper Depot ihre Erfindungen präsentieren. 240 Tüftler und Bastler zeigen die Früchte ihrer Kreativität bei der "Makers Faire": In der Halle im sechsten Wiener Gemeindebezirk soll es laut den Veranstaltern von selbstbenauten Robotern, Drohnen, elektronisch gesteuerten Fahrzeugen und unkonventionellen Objekten aus dem 3D-Drucker nur so wimmeln. Denn die Idee, auf eigene Faust zu entdecken und technologische Fortschritte zu erzielen, ist fesselnd und faszinierend zugleich. Birgt sie doch ein Freiheitsversprechen und das Gefühl, persönliche Utopien zu verwirklichen: Alles lässt sich selbst machen.
In diesem Sinn tourt der Berliner Künstler Kolja Kugler mit einer aus Auto-, Motorrad- und Schrottteilen zusammengesetzten Musikband durch die Lande. Ein pneumatisch betriebener "Schlagzeuger" trommelt, eine andere Figur zupft den Bass. "One Love" heißt die von Luft bewegte Gruppe, die eine Attraktion der Messe ist. "Es geht um die Liebe zwischen Maschine und Natur: Wenn Materie ein Bewusstsein hätte, würde sie sich über diesen Funken Leben freuen", erklärte Kugler vorab in einem Interview. Weitere Innovationen sind ein Roboter, der kochen kann, oder ein offenes Bausystem für Holzhäuser namens WikiHouse: Mit Hilfe von einer Anleitung im Internet kann es jeder in seinem Garten errichten.
Ob einer der Aussteller Anstöße geben kann zu serienreifen Innovationen, muss sich weisen. Die Vergangenheit hat jedenfalls eines gezeigt: "Am Anfang der modernen Wissenschaft standen Amateure. Der Begriff übersetzt sich wörtlich in Liebhaber der Wissenschaften. Sie sind ein wesentlicher Teil dieser Erfolgsstory", erklärte Helga Nowotny vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung bei einer Veranstaltung am Donnerstagabend in Wien. Das wohl berühmteste Beispiel ist der Renaissance-Künstler Leonardo da Vinci, der nicht nur "Das letzte Abendmahl" malte, sondern auch Flügel für Menschen entwarf und damit das Flugzeug vorwegnahm.
Die richtige Frage zählt
Offenheit ist auch das Gebot der Stunde - in einer technologiegetrieben Wissenschaft zwischen verschiedenen Fachgebieten und Experten und Laien. Das Ganze umschreibt sich mit dem Begriff "Open Innovation" - die Öffnung von Forschung und Innovationsprozessen durch Bürgerbeteiligung. Der Zweck ist, große Fragestellungen zu beantworten und neue Forschungsfragen mit Praxisbezug freizulegen - der Hintergrund ist die wachsende Komplexität der Welt.
Daher rechnen Laien Protein-Strukturen auf ihren Laptops aus oder zählen weltweit die Sterne. Ohne sie würden Forscherteams mit ihrer Arbeit nicht fertig werden. Andere Menschen, wie die Tüftler der "Makers Faire", bauen Maschinen selbst. Wieder andere steuern ihre Ideen zu Projekten online bei. Und wieder andere liefern ihre Fragen zu Fachgebieten und Problemstellungen.
"Die richtige Frage ist die halbe Miete", betont etwa die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG), die über einen Zeitraum von sechs Monaten Patienten, Angehörige, Experten und andere Bevölkerungsgruppen dazu befragt hat, welche Probleme ihrer Meinung nach zum Thema psychische Erkrankungen ungelöst seien. In einem zweiten Schritt startet sie nun ein Ausbildungsprogramm, das Foscher lehrt, wie sie mit der Öffnung umgehen können, erklärte LBG-Geschäftsführerin Claudia Linger zum Auftakt am Donnerstagabend bekannt.
Eines der Ziele des "Lab for Open Innovation in Science" (LOIS) ist Verständlichkeit. Wie wichtig das ist, zeigt ein Projekt der Harvard University, bei dem Wissenschafter aufgerufen waren, in 300 Worten ein Problem zu definieren und zu erklären, warum es wichtig ist. Die Bilanz: "Von 400 Personen waren nur 50 in der Lage, eine Idee zu formulieren, die andere verstehen konnten", erklärte Eva Guinan von der Harvard Medical School. Damit also mehr Forschungsergebnisse das Licht der Öffentlichkeit erblicken, sollen nun die Grundlagen kollaborativer und benutzergetriebener Wissenschaft bis hin zur Kommunikation und Kommerzialisierung unterrichtet werden.