)
Man muss kein hoffnungsloser Romantiker sein, um beim Blick auf die deutschen Landtagswahlen feuchte Augen zu bekommen. Was sich in Baden-Württemberg ereignete, war demokratiepolitisch epochal - auch wenn nüchternere Beobachter die Abwahl der CDU nach 58 Jahren als Ausfluss emotionaler Verirrungen der Bürger werten wollen; immerhin ist das Ländle das deutsche Musterland.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Aber der Bürger hat als Wähler immer recht, auch wenn sich seine mitunter verquere Weisheit nicht immer allen und sofort erschließt.
Tatsächlich ist es nämlich so, dass in postmodernen Zeiten die gefühlten ideologischen Unterschiede zwischen den Parteien sehr viel größer sind als die realen. Dazu trägt auch das enge polit-ökonomische Korsett bei, in das die EU alle ihre Mitglieder zwängt. Wenn jedoch sämtliche Parteien eine nur in Nuancen voneinander abweichende Politik verfolgen, wird der Austausch der Machteliten zum zentralen Mittel, die Integrität der politischen Institutionen zu gewährleisten.
Oder einfacher ausgedrückt: Die regelmäßige Abwahl der Regierenden ist einziger Garant, um die Gefahr korrupter Seilschaften zu minimieren und die Chance auf mehr Bürgernähe zu erhöhen.
In Deutschland hat sich mittlerweile in fast allen Hochburgen die politische Mehrheit zumindest einmal gedreht - in manchen sogar schon öfters. Nur in Österreich sind wir davon weit entfernt. Steiermark und Salzburg taugen als Gegenbeispiel übrigens nicht wirklich: Dort waren beide Großparteien sowohl vor als auch nach dem Machtwechsel Teil des etablierten Machtkartells namens Proporz.
Angesichts des Umstands, dass in Österreich grundsätzlich fast jeder demokratische Machtwechsel von den negativ Betroffenen mit dem Einfall der Barbaren gleichgesetzt wird, beschämt die gefasste Demut, mit der in Deutschland das Votum der Wähler von den Verlierern angenommen wird.
Der Hinweis auf die problematische Natur der FPÖ vermag allein die Unterschiede nicht zu erklären. Auch Deutschland hat mit der Linken eine Partei, über deren prinzipielle Regierungsfähigkeit als Nach-Nachfolge-Partei der SED auf Bundesebene heftig gestritten wird. Die Ursachen für die Angst vor Veränderung müssen tiefer sitzen.