Kerns affektive Botschaft.
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Warum hält Bundeskanzler Christian Kern eigentlich eine Grundsatzrede? Das ist ja kein alltägliches Ereignis hierzulande. Nun, Kern hat sein Amt "volé" übernommen. Mitten in der laufenden Legislaturperiode. Er hat keinen Wahlkampf absolviert, in dem er sein Programm präsentieren konnte. Er regiert mit einem Arbeitsabkommen, das er nicht verhandelt hat. Nun hat er sich inhaltlich positioniert.
In der Politik sendet jede Information zwei Botschaften gleichzeitig - eine sachliche, inhaltliche und eine emotional, affektive. Die inhaltliche wird viel diskutiert, etwa die Wahlrechtsreform. Was aber war Kerns affektive Botschaft?
Da war die Entschuldigung. "Wir haben unseren Weg verlassen", sagte er gleich zu Beginn der Rede, "ich möchte mich für die Enttäuschungen, die wir als Sozialdemokratie bereitet haben, bei allen entschuldigen". Das Besondere daran ist - er hat sich für etwas entschuldigt, woran er nicht schuld ist. Aber genau damit hat er sein zentrales Anliegen befördert: in Erinnerung zu rufen, dass die Sozialdemokratie eine Bewegung ist. Eine Bewegung, die über den Einzelnen hinausgeht. Auch wenn jetzt er in der Mitte der Arena steht (ohne schützende Wand im Rücken), so hat er sich mit dieser Entschuldigung für Verfehlungen seiner Vorgänger eingeordnet in die Reihe, die so eine Bewegung ausmacht. Er hat die Sozialdemokratie gerade mit dieser Entschuldigung als Bewegung "wiederhergestellt".
Zu dieser Strategie gehörte auch der andere wesentliche Aspekt seines Auftritts: das Sich- Konfrontieren. So hat er gerade Wels ausgesucht, den Ort eines "krachenden Wahlverlusts". Und so hat er auch in seiner Rede alle offenen Wunden der Gesellschaft offensiv angesprochen. Etwa die Zuwanderung. Letzte Woche stand an dieser Stelle: Es kann keinen "New Deal" geben, ohne sich in dieser Frage zu positionieren. Die Position, die Kern dazu eingenommen hat, ist der Spagat: Integration und Begrenzung des Zuzugs. So wie der Spagat generell seine Grundhaltung ist. Keine bequeme Haltung. So stehen seine Vorschläge durchaus in der Tradition des Roten Wien (etwa der Laptop für jeden Schüler), aber auch im Einklang mit dem Leistungskapitalismus. Schutz für Schwache aber auch Förderung der Eigeninitiative. Soziale Absicherung und Leistung, wie Reinhard Göweil schrieb. Soziademokratische Tradition goes 21. Jahrhundert.
Sein "Plan A" ist ein "Programm für Sicherheit, Wohlstand und gute Laune". Wie steht es nun mit der Stimmung? Gute Stimmung meint nicht einfach Spaßgesellschaft oder Wellness. Gute Stimmung kommt aus einer Anstrengung, aus einer gemeinsamen Anstrengung. Dafür stand in der Rede der Mond. Einmal als Mond, den man nicht (sinnlos) anbellen will. Ein anderes Mal aber als der Mond, den Neil Armstrong gegen alle Erwartungen 1969 tatsächlich betreten hat. Gute Stimmung kommt also aus dem Anpacken. Bei seinem Amtsantritt hatte Kern gesagt, es gelte die schlechte Stimmung im Lande zu drehen. Denn nichts sei so eine Wachstumsbremse wie die schlechte Laune. Apokalyptische Stimmung ist auch der Boden, auf dem Populismus gedeiht. Insofern ist gute Laune ein politisches (und ökonomisches) Programm.