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Die Welt auf den Kopf stellen

Von David Ignatius

Gastkommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Vorschnell und desorganisiert: Trumps Stratege Stephen Bannon hat eine Revolution gegen Eliten, Globalisierung und Muslime ins Rollen gebracht.


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Im hitzigen Zentrum des Beginns der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump stehen sein Stratege Stephen Bannon und dessen globale populistische Bewegung für jüdisch-christliche Werte und gegen radikalen Islam. Bannon, ein leidenschaftlicher Ideologe, ist der intellektuelle Mittelpunkt der neuen Regierung. Seit fast einem Jahrzehnt kündigt er an, die USA und die Welt auf den Kopf stellen zu wollen. Und genau das tut er jetzt. Trumps America-First-Handelspolitik und sein Einreiseverbotdekret sind erste Zeichen einer Revolution, für die sich Bannon schon seit langem einsetzt.

Während der Aufruhr über Trumps Handeln zunimmt, ist es wichtig zwischen Maßnahmen, die politisch umstritten sind, und solchen, die die Grundfesten der USA zerstören, zu unterscheiden. Die Einreiseverbote sind ein Schlag gegen unsere wichtigsten Werte. Sie schwächen die Allianzen der USA, sind Wasser auf die Mühlen unserer Gegner und gefährden unsere Sicherheit.

Die Schwächen von Bannons Strategie sind Ungeduld und Desorganisation. Die Eröffnungssalven kommen zu früh. Bannon hat bei seiner Beratungstätigkeit offenbar Benjamin Franklins berühmten Rat nicht berücksichtigt: Eile mit Weile - sonst geht alles schief.

Kritiker bezeichnen Bannon als weißen Nationalisten und sogar als Neonazi. Wie bei vielen Revolutionären ist Bannons Geschichte die eines reichen Mannes, der sich selbst als Wegbereiter für die Massen sieht. Er stammt aus dem Mittelstand, aus Richmond, Virginia. Navy ohne Zwischenfälle. Goldman Sachs nach der Harvard Business School. Gründung eines Investmentunternehmens, mit dem er ein Vermögen verdiente. Ab 2004 machte er Agitprop-Dokumentarfilme. Die Finanzkrise 2008 brachte für Bannon die Wende. Er schloss sich der Revolte der Tea Party gegen die Eliten der Republikanischen und Demokratischen Partei an.

Seit 2012, seit er an der Spitze des ultrarechten Portals Breitbart.com steht, verfügt Bannon über eine starke Plattform. Zuvor, im April 2010, hatte Bannon in einer Rede zum Tea-Party-Treffen in New York mit seiner radikalen Rhetorik die 1960er Jahre heraufbeschworen und Links und Rechts vereinigt. Seit 2014 sieht sich Bannon an der Spitze der globalen Tea-Party-Bewegung gegen die Finanzelite. Der Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat hat Bannon neue Parolen beschert: "Wir befinden uns in einem totalen Krieg gegen dschihadistisch-islamischen Faschismus", sagte er in einem Beitrag zu einer Konferenz im Vatikan: "Ich glaube, man sollte eine sehr, sehr, sehr aggressive Haltung gegen den radikalen Islam einnehmen."

Der Londoner Zweig von Breitbart hat sich zu einem führenden Brexit-Verfechter entwickelt. Am Tag des Brexit-Votums donnerte Breitbart-London: "In den Wolkenkratzern herrscht Panik. Eine Revolution gegen die Globalisierung ist im Gange."

Bannon hat zweifellos eine gewaltig radikale Vision. Aber diesmal scheint er danebengehauen zu haben. Das Einreiseverbot hat unter Millionen US-Bürgern, für die es ein Angriff auf die Freiheitsstatue ist, eine Gegenrevolution ausgelöst.

Übersetzung: Hilde Weiss