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Die Welt blickt auf Österreich

Von Nina Flori

Politik
© WZ/Irma Tulek

Die Bundespräsidentenwahl wird im Ausland mit regem Interesse verfolgt - meist sehr argwöhnisch.


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Wien. Normalerweise sind ausländische Medien nicht besonders an Österreich interessiert. Österreich ist zwar ein wohlhabendes, aber politisch unbedeutendes Land. Auf der Weltbühne hat es meist nur eine Statistenrolle inne.

Doch in diesen Tagen ist das anders: Österreich könnte das erste westeuropäische Land der Nachkriegszeit werden, in dem ein extrem rechtsorientierter Politiker das Präsidentenamt übernimmt. Die amerikanische "New York Times", die französische "Le Monde" oder "Xinhua", die Nachrichtenagentur der chinesischen Regierung - die ganze Welt blickt derzeit gespannt auf die Bundespräsidentenwahl am Sonntag. Österreichische Politologen erhalten Interview-Anfragen aus Australien und Kanada.

"Diese Wahl hat eine europaweite Bedeutung.", sagt Liu Xiang von Xinhua im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wenn am Sonntag gewählt wird, wird er seine Agentur in China aus Wien umfassend informieren. Denn auch die chinesischen Medien sind sehr interessiert an der Wahl. "Dass rechtspopulistische Parteien stark dazugewinnen, ist ein Phänomen, das sich über den ganzen Kontinent erstreckt. Das muss analysiert werden", sagt Xiang.

Auch Mila Cotaldo ist in diesen Tagen sehr beschäftigt. Sie schreibt für die italienische Nachrichten-Website "tgcom24" von Mediaset, dem Medienunternehmen Silvio Berlusconis. "Was in Österreich gerade passiert, ist geschichtsträchtig", sagt sie. 70 Jahre lang hätten zwei Parteien ein Land regiert und dann im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl so schlecht abgeschnitten. "Nun stehen zwei radikale Kandidaten zur Wahl, einer ist extrem rechts und einer extrem links. Das gibt es in anderen Ländern nicht." Nach Ungarn und Polen könnte Österreich das westlichste Land werden, das so weit rechts stehe, sagt Cotaldo. Das interessiere die Italiener sehr.

Das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hat für seine Österreich-Ausgabe in der vergangenen Woche eine eigene Titelseite gestaltet. Darauf ist ein dicker, alter Mann mit Kaiser-Franz-Joseph-Schnurrbart zu sehen, der im Lodenjanker vor einer Bergkulisse an einem Schranken lehnt - gestützt auf eine Österreichfahne. Der Schranken ist mit einem "Refugees not welcome"-Schild versehen und mit Stacheldraht umwickelt. Im Hintergrund sieht man drei grölende Musikanten - in Lederhosen versteht sich -, zwei Kühe, noch eine Österreich-Fahne und einen Almstadl. "Sonne, Berge, leichte Bräune - oh Österreich" lautet der Titel.

Im Text des dazu gehörenden Artikels wird ein Thomas Bernhard-Zitat ausgegraben: "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken."

Es mutet etwas befremdlich an, als Österreicherin oder Österreicher in diesen Tagen einen derartigen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Und doch haben die ausländischen Beobachter recht: Österreich könnte ab nächster Woche zum Kreis von Ländern wie Ungarn, Polen, der Slowakei, Finnland, Norwegen, der Schweiz oder Dänemark gehören, in denen rechte Parteien an der Spitze stehen oder an der Regierung beteiligt sind.

Besonders oft findet sich in den ausländischen Medien derzeit jene viel zitierte Antwort von FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer zu Beginn des Wahlkampfes: "Sie werden schon noch sehen, was alles möglich ist", auf die Frage nach dem Handlungsspielraum des Bundespräsidenten.

"Wie weit würde der Mann als Staatsoberhaupt gehen, um seine Überzeugungen in konkrete Politik umzusetzen? Würde er eine Staatskrise riskieren, um eine genehme Regierung zu installieren?", fragt "Die Zeit".

Sie schreibt weiter: "In kämpferischen Stunden schwärmte Haider von einem starken Präsidentenkanzler, der sich auf den Volkswillen berufend, dem Land Entscheidungen aufzwingt, ohne dass sie in mühsamen Debatten der Volks- und Interessenvertreter zu faulen Kompromissen verwässert werden." "Die Zeit" sieht bereits die "Dritte Republik" am Horizont auftauchen.

Wo bleibt die Empörung darüber?, fragt die französische "Le Monde". In anderen Zeiten hätten Schriftsteller wie Karl Kraus, Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek oder Josef Winkler den Nationalismus angeprangert. Als Hofer im ersten Wahlgang 35 Prozent erreichte, habe sich jedoch keine starke Stimme erhoben.

"Die Widerstandsbewegungwar schon immer schwach"

"Die Widerstandsbewegung in Österreich war schon immer schwach ausgeprägt", heißt es in der "Le Monde". In der Zwischenkriegszeit hätte es ein paar Versuche gegeben, moralischen und zivilen Widerstand zu leisten, doch dieser sei hauptsächlich von Juden oder politischen Anführern gekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei in Wien gar kein "esprit de résistance" mehr zu finden gewesen. Erst ganz langsam, nach und nach habe sich eine Widerstandsbewegung aufgebaut, die 1986, als der ehemalige Wehrmacht-Soldat Kurt Waldheim zum Bundespräsident gewählt wurde, zu ihrer Blüte fand. Dieser Widerstand habe bis zum Jahr 2000 gegen die aufstrebende FPÖ und ihren damaligen Partei-Chef Jörg Haider angehalten. "Doch die Menschen, die damals mit Herz und Seele gekämpft haben, sind älter geworden und müde."

An die Proteste gegen Waldheim und Haider erinnert auch eine Kommentatorin der "New York Times". Doch diese seien im letzten Jahrhundert gewesen. "Österreichs rechte Politiker sind nicht länger isoliert. Sie sind Teil eines stabilen Trends, der sich in ganz Europa ausbreitet." Und nicht nur in Europa - dieser Trend reiche bis über den Atlantik, wo der "Trumpism" die Republikanische Partei zu spalten oder gar zu übernehmen drohe.

Dass einzelne Staaten rechts regiert werden, ist man im Ausland gewöhnt. Doch ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, auch in Deutschland erreicht die AfD mittlerweile eine breite Wählerschicht.

Bisher habe die Mitte gehalten, doch nun habe die "illiberale Welle" Mitteleuropa getroffen. Auch die Erklärung, dass postkommunistische Staaten anfälliger für populistische Regierungen seien und diese in jungen Demokratien als Übergangslösung zu sehen, wirke nicht mehr. "Denn Österreich ist nicht das neue Europa. Es ist das alte Europa."

Die Wahl sei eine Warnung an den Westen, heißt es in der "New York Times". Und sie könnte ein Test sein. Ein Test, wie weit Wählerinnen und Wähler gehen, um einen Kurswechsel zu erreichen - in Zeiten, in denen Flüchtlingsströme und wirtschaftliche Unsicherheit aufeinandertreffen.