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Der Bürgerkrieg in Syrien ist ein Brennglas für die Ohnmacht der Staatenwelt - überall auf dem Globus lodern Brandherde, eine fähige Feuerwehr fehlt.
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Panzer rollen durch die historischen Städte Damaskus und Aleppo, Kampfhubschrauber nehmen Dörfer unter Beschuss, Menschen werden auf offener Straße von Milizionären erhängt. Syriens Machthaber Bashar al-Assad führt Krieg gegen sein eigenes Volk - und die Welt sieht zu. Der Konflikt in Syrien offenbart die Machtlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft. Die Welt ist zum Zuschauen verdammt, weil sich die Veto-Mächte im UNO-Sicherheitsrat blockieren. Ein schärferes Vorgehen gegen Präsident Assad scheiterte am Widerstand Chinas und Russlands. Die Syrien-Krise wirft grundlegende geopolitische Fragen auf: Kann der UNO-Sicherheitsrat überhaupt Sicherheit geben? Oder schafft er vielmehr Unsicherheit, weil die ständigen Mitglieder taktieren und finassieren?

Fakt ist: Russland könnte Assad den Todesstoß versetzen. Doch Moskau zögert, weil es seine strategisch wichtige Militärbasis in Tartus nicht aufgeben will. Und China steht Eingriffen in die Souveränität prinzipiell skeptisch gegenüber. Der Sicherheitsrat wird zum Spielball regionaler Machtinteressen. Eine konzertierte Aktion, die den Despoten in die Knie zwingt, ist in dieser Konstellation nicht möglich. Die Vereinten Nationen haben sich einmal mehr als zahnloser Tiger erwiesen.
Aufgrund der Abwesenheit einer effektiven internationalen Regelungsgewalt bedarf es eines Hegemons, der Recht und Ordnung herstellt - zur Not auch unilateral. Nach der hegemonialen Stabilitätstheorie, die von namhaften Politikwissenschaftern wie Stephen Krasner und Robert Keohane vertreten wird, können Sicherheit und Wohlfahrt nur durch einen dominanten Akteur erreicht werden. Die Theorie stützt sich auf einen liberalen Ansatz: Sicherheit wird als ein kollektives Gut verstanden, von dem jeder Staat profitiert - unabhängig davon, ob er etwas dazu beiträgt oder nicht. Kleinere und mittlere Nationen werden gewahr, dass sie sich ohne eigenes Dazutun am Frieden laben können. Es ist das klassische Trittbrettfahrer-Problem in den internationalen Beziehungen. Weil sich das Dilemma spieltheoretisch nicht auflösen lässt, muss ein potenter Akteur mit seinen Machtressourcen (Militär, Wirtschaft) in die Bresche springen. Stabilität setzt einen Stabilisator voraus.
Die Frage ist nur: Wer will diese Rolle übernehmen?
Die USA, die diese Aufgabe für sich in Anspruch nehmen konnten, haben sich durch die Kriege im Irak und in Afghanistan militärisch wie finanziell übernommen. Die Gesamtkosten der Einsätze betragen seriösen Schätzungen zufolge zwischen vier und sechs Billionen Dollar. Die einstige Supermacht ist müde - und kann Konflikte nicht allein lösen. Den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) wird bei der Bewältigung internationaler Krisen eine größere Bedeutung zukommen. Allerdings: Die Zersplitterung der Machtzentren birgt Risiken. Je multipolarer die Weltordnung wird, desto instabiler wird sie. Rivalitäten und Ressourcenwettkämpfe erschweren ein kohärentes Konfliktmanagement. So droht Syrien zwischen den widerstreitenden Interessen zerrieben zu werden.