Schon eine minimale Reduktion des Fleischkonsums in Nordamerika und Europa hätte sehr positive globale Folgen.
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Verwahrloste Tiere auf den Straßen in fremden Ländern rühren uns zu Tränen, aber wie das Tier auf unseren Teller kommt, verdrängen wir einfach. Es braucht Skandale, damit der Mensch über seine Gewohnheiten nachdenkt. Und siehe da! Ganz plötzlich prangern immer mehr Menschen die Abnahme der Fleischqualität an oder finden moralische Gründe für eine radikale Abkehr vom Fleischkonsum.
Vor 50 Jahren hat die Moral noch niemanden interessiert. Der Vegetarismus scheint eine Luxuserscheinung zu sein. Fragen Sie doch einmal einen Bewohner der afrikanischen Savanne oder der Arktis, ob er auf Fleisch verzichten möchte. Moralische Gründe würden für ihn dabei die kleinste Rolle spielen.
In unserer Gesellschaft ersetzen Tiere oft das Kind oder den Freund. Jedes Tier, das wir halten, wird zum Haustier. Es verliert alles Tierische, sobald es verzärtelt wird, einen Namen oder ein kleines Jäckchen bekommt. Für dieselben Menschen können Tiere zugleich wohlschmeckende Lebewesen sein, die sie als käufliches Objekt, als Sache betrachten. Insofern pflegen wir ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum Tier. In jüngster Zeit mehren sich Stimmen, die gegen eine Grenzziehung zwischen dem Nur-Animalischen und dem Menschlichen sind. Jedoch: Tiere gehören genauso wie Pflanzen oder Bakterien nicht unserer Personengemeinschaft an und sind nicht dazu fähig, über unsere Sprache mit uns in Beziehung zu treten.
Religiöse, Naturwissenschafter und Philosophen sind sich einig: Tiere sind instinktgebundene Wesen. Auch wenn sie eine Intelligenz und Gefühle haben, grübeln sie nicht lange vor sich hin und leben im Hier und Jetzt. Sie haben im Vergleich zum Menschen kein Potenzial, das zu verwirklichen wäre. Sie können Erfahrungen speichern, aber nicht Wissen im menschlichen Sinne, wie beispielsweise das Wissen, dass sie irgendwann einmal sterben werden. Dagegen ist der Mensch fähig, mit seiner Vernunft zu reflektieren und sich selbst in Beziehung zu anderen zu setzen. Und genau das macht ihn für sein Handeln verantwortlich.
Der Tötungsakt selbst kann nicht problematisiert werden. Er stellt für Tiere, die wir verzehren, nur einen Augenblicksschmerz dar. Wie lange es existiert, spielt für das Tier selbst keine Rolle. Dagegen aber sicher, wie es am Leben ist. Auch wenn Tiere keine Rechte haben, die sie einfordern könnten, haben wir dennoch Pflichten ihnen gegenüber. Umso mehr müssen wir die technischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts hinterfragen. Die Folgen brutaler Tierhaltung und gigantischer Fleischproduktion müssen sichtbar werden, um zur Bewusstseinsbildung des Einzelnen beizutragen. Kontrolle oder Zwang werden das Essverhalten nicht ändern.
In Nordamerika und Europa wird am meisten Fleisch auf der Welt gegessen, in anderen Erdteilen ist Fleisch ein Luxusgut. Schon eine minimale Reduktion des Fleischkonsums bei uns würde die Fleischproduktion entschleunigen, die Massentierhaltung abbauen, die Umweltbelastungen reduzieren und den Auftritt von Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes mindern.
Teilzeit-Vegetarier braucht die Welt!