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Die Welt braucht wilde Kerle

Von Christina Böck

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"Grumpy Old Men" ist nicht nur ein Film mit Jack Lemmon und Walter Matthau. "Grumpy Old Men", also grantige alte Männer, das ist auch eine Utopie. Eine Utopie für alle, denen die Grauschattierungen in der allgemeinen Meinungsäußerung schon zu fad werden. Es gibt ja dieses Naturgesetz, dass man sich, je älter man wird, umso mehr erlauben kann. Es gibt dann eine Art Dispens von der Verhaltensnorm. Ruhestand von der Political Correctness. Sprich, ab einem gewissen Alter macht man sich nicht mehr viele Gedanken darüber, wie man seine Meinung nicht sagt. Da ist es einem dann herzlich egal, wen man wieder beleidigt. Diese Woche gab es dafür einige erfrischende Beispiele. Umberto Eco war noch vornehm, als er Silvio Berlusconi in der "Zeit" attestierte, ein "begabter Lügner" zu sein. Marcel Reich-Ranicki kanzelte den neuen Literatur-Nobelpreisträger mit knappen Worten ab: "Ich habe keine Ahnung, wer dieser Lyriker ist." Aber am nachhaltigsten pflügte sich Maurice Sendak, der Schöpfer des Kinderbuchs "Wo die wilden Kerle wohnen", im "Guardian" durch alles, was ihn so richtig nervt. Und das ist reichlich. E-Books zum Beispiel. "Ich hasse die! Das wäre ja, als würden man uns weismachen wollen, es gibt eine neue Art von Sex! Gibt es nicht! Und es gibt auch keine neue Art Bücher!" Oder New York: "Dauernd wird man gestoßen und belästigt!" Oder Salman Rushdie: "Dieses schlaffe Arschgesicht!" Oder Gwyneth Paltrow: "Ich kann sie nicht ausstehen!" Ganz viel Meinung, und zwar mit Rufzeichen! Die Welt braucht echt mehr wilde Kerle.