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Die Welt darf um zwei Grad wärmer werden

Von WZ Online / (cpe/est/sk)

Politik

Begrenzung des Temperaturanstiegs angestrebt, aber nicht verbindlich festgeschrieben. | Kopenhagen. Beim Kopenhagener Klimagipfel haben sich am Freitagabend die Regierungen von 25 Staaten nach streckenweise chaotischen Verhandlungen auf eine gemeinsame politische Erklärung geeinigt. | Das war der Gipfel


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Unter Beteiligung von US- Präsident Barack Obama, dem chinesischen Regierungschef Wen Jiabao, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel handelten Spitzenpolitiker aus wichtigen Industrie- und Schwellenländern beim UNO-Klimagipfel ein Kompromisspapier aus, das ein unverbindliches Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung vorsieht.

"Wir haben eine Einigung", sagte Sarkozy nach dem Treffen. Nach der Vereinbarung würden alle Länder - darunter auch China - ihre Ziele für die Begrenzung klimaschädlicher Gase bis Jänner 2010 schriftlich fixieren. Auch hätten alle Teilnehmer dem Plan zugestimmt, Entwicklungsländer ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden Dollar (69,7 Mrd. Euro) zu unterstützen. "Der Text, den wir haben, ist aber nicht perfekt", räumte Sarkozy ein.

Obama zufolge ist das Abkommen nicht rechtlich bindend. Er bestätigte aber, dass die USA daran festhalten, ihre CO2-Emissionen reduzieren zu wollen. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns im Kampf gegen den Klimawandel", sagte Obama. Das Abkommen sei nur ein erster Schritt, der aber nicht genug sei, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Bundeskanzler Werner Faymann bezeichnete die "politische Erklärung mit Reduktionszielen und konkreten Angaben zu Ausgleichszahlungen an ärmere Länder" als einen Erfolg. Er würdigte die "intensiven Bemühungen" um den Kompromiss.

Umweltorganisationen als neue Macht

Nach den vielen bangen Verhandlungstagen hat der Mammutgipfel rückblickend aufgezeigt: Was mit der Finanzkrise begonnen hat, setzt sich mit der Klimakrise fort. Die Industrieländer haben beide Krisen ausgelöst, aber ohne den Beitrag der Entwicklungs- und Schwellenländer können sie sie nicht lösen.

Sämtliche in Kopenhagen anwesenden Staats- und Regierungschefs, von Brasiliens Lula da Silva über Chinas Wen Jiabao bis zu Russlands Dmitri Medwedew, nahmen im Saal neben Barack Obama, Angela Merkel und Co. Platz. Über weite Teile der Verhandlungen waren es nicht mehr die USA, die die globale Führungsrolle eingenommen hatten. Hingegen haben kleine wie große, lokale wie internationale Umweltschutzorganisationen erreicht, dass die Klimapolitik jetzt ganz oben auf der internationalen Agenda steht.

Und sie haben in den Wochen vor dem Gipfel erzwungen, dass die Teilnehmer eine Einigung in Kopenhagen zur Chefsache machten.

Auch innerhalb des Konferenzzentrums haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Die Macht war nicht mehr nach den alten Maßstäben verteilt. Das wurde sichtbar, als Tuvalu am Donnerstag verlangte, das 2-Grad-Ziel zu verschärfen. Es brauche eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad, verlangte der pazifische Inselstaat, in dem weniger Menschen leben, als im Kopenhagener Bella Center zusammengekommen waren.

Prompt horchten die Diplomaten auf. "Tuvalu ist bei diesen Verhandlungen nicht klein", sagte der Chefunterhändler eines Industrielandes. Am nächsten Tag schlug Äthiopiens Präsident Meles Zenawi als Sprecher Afrikas vor, das 2-Grad-Ziel 2014 zu überprüfen.

Schwellenländer übernehmen Führung

Zenawi selbst verkörpert die gewandelten Kräfteverhältnisse: Sein Vorschlag für die Finanzierung des Klimaschutzes bildet die goldene Mitte, die auch von den Industrieländern akzeptiert werden kann. Dabei ist er kein blütenweißer Demokrat: Vor dem Kongresszentrum protestierten Vertreter einer Befreiungsbewegung gegen die Unterdrückung durch den äthiopischen Staat. Aber Menschenrechte, vom Westen hoch gehalten, spielten am Gipfel keine Rolle.

Ausgerechnet der Sudan, der seine schwarzen Bürger in Darfur hinmetzeln lässt, vertrat turnusgemäß die G77, die 134 Staaten umfassende Gruppe der Entwicklungsländer.

Der Westen hat in Kopenhagen seine Machtlosigkeit zu spüren bekommen. Er hat nun seine Verantwortung für die Klimakrise anerkannt. Damit ist er in der Pflicht, auch den größten Beitrag zu ihrer Lösung zu leisten.