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Die Welt ist voller Botschafter

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Wenn jetzt auch die EU ihre gemeinsame Außenpolitik personalisiert, wird der diplomatische Betrieb bloß mehrgleisig, aber nicht effektiver. Zumindest nicht für Österreich.


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Das österreichische Außenministerium hält beinhart daran fest, in allen anderen 26 EU-Mitgliedstaaten, Zypern und Malta eingeschlossen, je eine Botschaft zu unterhalten, was einiges kostet. In ähnlicher Form ist in den Beziehungen zu Staaten außerhalb der EU nicht wirklich eine Einschränkung des diplomatischen Dienstes zu bemerken, obwohl die EU ihrerseits unter der "Außenministerin" Catherine Ashton einen solchen aufbaut. Der Versuch, Österreichs Botschaft in Oman zu schließen, ist nach heftigem Widerstand der Omaner bis Ende dieses Jahres vertagt worden. Man wolle bis dahin prüfen, heißt es im Außenministerium, ob die heimische Wirtschaft wirklich so viele Export- und Montageaufträge aus Oman bekomme, wie behauptet werde. Sieht beinahe so aus, als brauchten nicht nur die Salzburger Festspiele, sondern auch das diplomatische Netz des Ballhausplatzes Sponsoren.

Die Diskussion, wie viele Botschaften Österreich benötige, gab es schon, als dieses Land noch nicht einmal EU-Mitglied war. Mit dem Lissabon-Vertrag und dem Ehrgeiz Brüssels, einen Europäischen Auswärtigen Dienst aufzubauen, wird der Druck, den bilateralen Aufwand des nationalen diplomatischen Dienstes einzuschränken, scheinbar größer. Man könnte auch sagen, das österreichische Außenministerium stecke mit der Diskussion um seine Diplomaten in einer ähnlichen Defensivposition wie die Föderalisten, die ungeachtet der Dachgalerie von EU-Institutionen nicht dazu zu bringen sind, über den Sinn von neun Landtagen samt Zubehör auch nur nachzudenken.

Es wird aber noch lange dauern, bis der österreichische diplomatische Dienst mit Blick auf die EU abschlankt, und das liegt, wie im Außenministerium versichert wird, nicht nur, aber auch am Zustand der EU-Außenpolitik. In dieser hat es erst vorige Woche lautstark geknirscht und rumort, weil sie in den Fängen der beiden Konkurrenten Großbritannien und Frankreich auszubluten droht, bevor sie überhaupt wirksam wird.

Außerdem sei die EU-Außenpolitik mit Blickrichtung nach außen und nicht für Angelegenheiten innerhalb der EU-Gemeinschaft konzipiert, heißt es. Also ersetze sie in Europa keinesfalls die bilaterale Diplomatie der EU-Mitgliedsstaaten. Plakativ wird dieses Bemühen so dargestellt: "Stellen Sie sich vor, wir schließen die Botschaft in Bratislava, zumal es dorthin ja wirklich nur ein paar Kilometer Autofahrt sind. Was würden uns dann wohl die Slowaken antworten, wenn wir sie um Unterstützung unseres Standpunktes in Brüssel bäten?"

Dem ist wenig entgegenzusetzen, außer vielleicht, dass die gruppendynamische Interessenwahrung der Österreicher trotz Volldiplomatie nicht so großartige Erfolge auszuweisen hat, wie man erwarten müsste.

Und außerhalb der EU? Der angekündigte diplomatische Apparat der EU mit mehreren tausend Mitarbeitern existiert noch nicht. Er wird durch die nationalen Begehrlichkeiten von EU-Mitgliedern und auch dadurch gehandikapt sein, dass er keine konsularischen Funktionen haben darf. Ein gescheiterter österreichischer Tourist (oder ein potenzieller Asylwerber) wird sich im Ausland weiterhin an die österreichische Mission wenden wollen, zumal sich die EU-Repräsentanzen kaum Dolmetscher für alle möglichen Besucher leisten werden.

"Abschlankung des diplomatischen Dienstes" wird somit lediglich als abstrakte Thematik verstanden, aber nicht als Aufforderung, der sehr bald praktische Einsparungsmaßnahmen folgen würden.