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Der Drehbuchautor und Regisseur der "Affäre Semmeling", Dieter Wedel, ist nach eigenem Bekenntnis ein Bewunderer der Romankunst des 19. Jahrhunderts. Die Handlungsstränge aus der hohen Politik und der Welt der Bürgerschicht von Hamburg laufen in der Familie Semmeling zusammen. Die Semmelings zeigen, wie schwierig es ist, ein anständiges Leben zu führen. Finanzamt, Boulevardpresse, Parteifreunde und die Versuchungen durch schöne Frauen, mächtige Männer und nicht zuletzt durch Geld treiben die Handlung auf den ultimativen Crash hin. Bei Wedel treten nicht Gut gegen Böse an. Das Finanzamt ist ein sinisterer und irgendwie doch notwendiger Motor in der Handlung, der aus der Welt einen ziemlich unwohnlichen Ort macht. Die Lehre aus den "Semmelings" könnte lauten: Wer weit genug weg steht, sieht sofort, was richtig und was falsch ist. Direkt am Geschehen jedoch verschwimmt auch dem Lauteren mitunter der Blick.
Bei Wedel verkörpern die Schauspieler das Gute und das Böse zugleich: Mario Adorf ist als krebskranker und nichtsdestoweniger machtbesessener Senator der Hansestadt Hamburg umwerfend. In der Bürgschaft zermürbt er die Opposition mit bissigen Zwischenrufen und in der Partei schmiedet er Ränke. Andrea Sawatzki beeindruckt durch stählerne Süße angesichts eines Gatten (Heinz Hoenig), den sie immer und immer wieder "mit heruntergelassenen Hosen" erwischt. Für die realexistierenden Politiker spricht, dass der ehemalige deutsche Finanzminister Theo Waigel als Grußaugust in Bonn auftritt, damit die Wedel'sche Wirklichkeit noch wirklicher wird.