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Die Weltreise der Senioren-Masken

Von Petra Tempfer

Politik
Mit den 35 Cent, die eine Maske "made in China" im Einkauf kostet, können österreichische Masken nicht mithalten.
© wernerimages

Einen Monat später als angekündigt sind nun alle 18 Millionen FFP2-Masken an die über 65-Jährigen verschickt worden - sie sind "made in China". Warum?


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Bis zum 27. Jänner hätten alle über 65-Jährigen in Österreich zehn FFP2-Masken kostenlos per Post erhalten sollen, hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) noch im Vormonat angekündigt. Tatsächlich hatten in der Vorwoche aber noch immer nicht alle ihre Masken. "Die allerletzten wurden am 25. Februar von der Post verschickt", heißt es dazu auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom Gesundheitsministerium. Alle, die bis 19. Dezember 1955 geboren sind, sollten somit spätestens diese Woche ihr Paket seitens der Bundesregierung bekommen.

So manche haben sich beim Auspacken allerdings über die Herkunft der Masken gewundert. "‚Made in China‘, das tut ein bissl weh, weil es ja auch ‚made in Austria‘ gegeben hätte", sagt zum Beispiel der 65-jährige Johann Z. aus Niederösterreich, dessen Masken am vergangenen Freitag angekommen sind. "Wir wollten österreichische Produzenten beauftragen, aber zum Zeitpunkt der Ausschreibung im vergangenen Sommer war noch keiner so weit", so das Gesundheitsministerium dazu.

"Wertschöpfung im Land"

Vor allem hinsichtlich der Produktionsmenge von 18,1 Millionen FFP2-Masken für die rund 1,8 Millionen über 65-Jährigen und der Zertifizierung seien die heimischen Betriebe zu diesem Zeitpunkt noch überfordert gewesen, und: Es sei freilich auch eine Frage des Preises gewesen - aber nicht nur. "Die Filtervliese, die in die FFP2-Masken eingesetzt werden müssen, gab es von keinem österreichischen Hersteller", so das Ministerium.

Somit stammen weder Material noch Endfertigung der Maskensendung aus Österreich. Und mit den etwa 35 Cent, die eine Maske "made in China" im Einkauf kosten soll, können heimische Hersteller Recherchen der "Wiener Zeitung" zufolge tatsächlich nicht mithalten. In den Rahmenvereinbarungen der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) zum Krisen- und Vorsorgemanagement stehen 35 Lieferanten zur Verfügung. Den Zuschlag für Beschaffung und Logistik der Masken aus China hat schließlich die österreichische KSR Group GmbH aus Krems-Gedersdorf erhalten. Verteilung und Versand geschah über das Ministerium respektive die Post. Die neue Division "KSR Health Care" wurde erst Anfang 2020 "aus aktuellem Anlass gegründet", heißt es dazu vom Unternehmen. Seit damals handelt es also mit Medizinprodukten, davor war es auf den Fahrzeughandel spezialisiert.

Den Vorwurf, dass mit dem Großauftrag der Regierung auch das Geld ins Ausland fließt statt in die massiv geschwächte, heimische Wirtschaft, will genauso wie das Ministerium auch die KSR Group so nicht stehen lassen. "Wir beschäftigen mehr als 150 Mitarbeiter allein am Standort Krems-Gedersdorf", heißt es von dieser, die weitere Niederlassungen in Europa hat. "Diese Wertschöpfung bleibt im Land."

Den österreichischen Unternehmen, die FFP2-Masken selbst und aus vorwiegend heimischen Rohstoffen produzieren (das Vlies gibt es noch immer nicht aus Österreich), stößt die chinesische Massenproduktionsware dennoch sauer auf. "Im Regierungsprogramm ist zwar von einem Paradigmenwechsel vom Billigst- zum Bestbieterprinzip bei der öffentlichen Beschaffung die Rede, das hier wirkt aber noch immer wie das Billigstbieterprinzip", meint etwa Günter Grabher, Inhaber der Vorarlberger Grabher-Group. Das Unternehmen findet sich auch in der Lieferanten-Liste für zertifizierte FFP2-CPA-Masken der BBG.

Da seine Masken wiederaufbereitbar seien und man sie bei 60 Grad waschen könne, wäre man beim Einkaufspreis nach 20 Mal waschen zwar nicht bei den 35 Cent des chinesischen Pendants, aber immerhin "schon bei 40 Cent", sagt Grabher. "In einem Land, in dem man Plastiksackerl verbietet, wäre das in jedem Fall im Sinne des Klimaschutzes und der Ökonomie gewesen." Auch die Menge wäre kein Problem gewesen.

Dass der Preis letztendlich ausschlaggebend war, "ist auch unsere Vermutung", heißt es von der Hygiene Austria ebenfalls dazu. Das Joint Venture aus Palmers und Lenzing wurde 2020 mit dem Ziel gegründet, die Versorgungssicherheit mit Schutzmasken im Land zu gewährleisten. Die Masken, die in Wiener Neudorf produziert werden, gehen hauptsächlich in den Lebensmittelhandel. Zuletzt wollte man die Kapazität auf 25 Millionen FFP2-Masken pro Monat ausbauen. Im Verkauf kostet eine zertifizierte FFP2-Maske ohne Ventil übrigens - markenunabhängig - 0,59 bis 5,69 Euro, haben Erhebungen der Arbeiterkammer ergeben.

Einkaufspreis bis zu 1,90 Euro

Hygiene Austria befindet sich auch in der BBG-Liste, die Maskenhersteller MH-Zentrum GmbH aus Salzburg und Aventrium aus Graz allerdings nicht. "Wir wurden nicht angefragt und sind dadurch gar nicht in die engere Wahl gekommen", sagt MH-Geschäftsführer Franz Ganser. Und das, obwohl das Unternehmen zwei Millionen Euro investiert, Maschinen angeschafft und 30 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen habe. Eine MH-Maske koste im Einkauf, abhängig von der Abnahmemenge, 60 Cent bis 1,90 Euro. "Dafür fallen aber die weiten Lieferwege weg", so Ganser.

Aventrium hätte jedenfalls genug Masken produzieren können, heißt es. "Vor dem Lockdown im Herbst 2020 gingen 80 Prozent unseres Auftragsvolumens ins Ausland. Nun sind es sogar 90 Prozent, und deshalb haben wir unsere Fertigung mittels Hochleistungsmaschinen optimiert und mit einem Werk nach Frankfurt am Main expandiert", so Aventrium. Zur Erinnerung: Zur Zeit der Ausschreibung im Sommer waren noch die hellblauen Einweg- und selbstgenähte Stoffmasken Usus. Das Tragen von FFP2-Masken in Öffis und Handel ist erst seit 25. Jänner Pflicht. Erst Anfang Dezember wurde angekündigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die ältere Bevölkerung mit FFP2-Masken zu versorgen.

Nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass beim heimischen Coronamasken-Hersteller Hygiene Austria eine Hausdurchsuchung läuft, berichtete das Online-Portal "oe24.at" der Tageszeitung "Österreich". Es soll der Verdacht bestehen, dass das Unternehmen China-Masken zu österreichischen Masken umetikettiert habe. Hygiene Austria ist eine Tochtergesellschaft von Palmers und Lenzing. "Ich kann bestätigen, dass derzeit gerade eine Hausdurchsuchung im Gang ist und der Verdacht der Umetikettierung im Raum steht, mehr wissen wir zum aktuellen Zeitpunkt auch noch nicht", so ein Sprecher der Lenzing AG laut der Zeitung. Gegenüber Ö1 bestätigte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen eine bekannte Person sowie Unbekannte
wegen des Verdachts organisierter Schwarzarbeit und schweren Betrugs. Namen
und Firma wurden jedoch nicht genannt.