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Warum auch Österreichs künftiger Wohlstand davon abhängt, ob François Hollande es endlich schafft, Frankreichs Wirtschaft wieder flottzukriegen.
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Freunden gepflegter Weltverschwörungstheorien muss es als genial orchestrierter PR-Coup erscheinen, dass Frankreichs Öffentlichkeit derzeit erregt das reichlich glamouröse Privatleben ihres an sich ja wenig glamourösen Staatspräsidenten Françoise Hollande erörtert. Dem Präsidenten dürfte die Fokussierung der öffentlichen Debatte auf die Vorgänge in seinem Schlafzimmer zwar privat wenig erbaulich sein, in politischer Hinsicht hingegen durchaus zupasskommen.
Denn sie lässt dezent in den Hintergrund treten, dass Hollande zum Jahreswechsel eine wirklich spektakuläre politische Wende angekündigt hat. Der Staat soll demnach massiv verschlankt werden, seine Ausgaben sollen bis 2017 um 50 Milliarden Euro reduziert werden, ebenso Steuern und Lohnnebenkosten der Unternehmen spürbar gesenkt und die Bürokratie soll mittels "Vereinfachungsschock" spürbar verkleinert werden. "Wenn Frankreich sein Schicksal weiter bestimmen will, muss es seine Wirtschaftskraft wieder stärken", erklärte der Sozialist Hollande. Das ist zwar völlig richtig, aber eine derart dramatische Wende gegenüber seiner bisherigen Strategie, als würde Michael Spindelegger morgen erklären, Gesamtschule und Vermögenssteuer seien unabdingbar für Österreichs künftiges Gedeihen.
Implizit konzediert Hollande damit das Scheitern seiner bisherigen Wirtschaftspolitik - und zieht die notwendigen Lehren aus einem klaren Befund, den sein Arbeitsminister Michel Sapin vor einem Jahr erstellt hatte: dass nämlich "Frankreich als Staat völlig pleite" ist.
Davon, ob Hollandes Absichtserklärung auch Taten folgen werden, hängt nicht nur das ökonomische Überleben Frankreichs ab. Denn weil die Eurozone ja zu einem Haftungs- und Solidarverbund umgestaltet wurde, hätte ein Eintreten der vom französischen Arbeitsminister diagnostizierten "Pleite" natürlich gravierende Auswirkungen auf alle anderen Staaten in Euroland. Dass Hollande seine Wende tatsächlich umsetzt, ist also auch im Interesse Österreichs.
Der Umstand, dass Frankreichs Präsident der sozialistischen Partei angehört, könnte die Chancen seines klar wirtschaftsliberal grundierten Projektes paradoxerweise sogar verbessern. Denn historisch besehen haben Sozialdemokraten wie Schröder oder Blair ähnliche Reformen besser auf Schiene stellen können als konservative Politiker, die am übergroßen Widerstand vor allem der Gewerkschafter gescheitert wären (und oft auch sind).
Doch Hollandes Kur kann nur nachhaltig gelingen, wenn sie einen zentralen Defekt des politischen Systems der Grande Nation behebt: den in allen Parteien verbreiteten Glauben an die Segnungen staatlicher Interventionen und den daraus resultierenden übermäßigen Staatsanteil am Wirtschaftsgeschehen.
Zwar bekennt sich Hollande nun ausdrücklich dazu, den Staat zurückzudrängen - doch damit wird er nicht nur die radikalen Gewerkschaften gegen sich haben, sondern im Grunde erhebliche Teile des etatistischen politischen Systems Frankreichs.
Doch Hollande verfügt in diesem Kampf über ein Ass: Er hat politisch praktisch nichts mehr zu verlieren. Das könnte ihn durchsetzungsstärker machen, als es den Anschein hat.
ortner@wienerzeitung.at