Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wenn etwas gut läuft, braucht es keinen Neuanfang, nur wenn etwas derart schief läuft, dass Reformen aussichtslos erscheinen, sollte ein Neuanfang versucht werden.
Generell ist die heutige Politik ein Paradebeispiel für Neuanfänge. Oft werden schon vor einem Anfang Neuanfänge ventiliert. Erstens ist Ankündigen leichter als Umsetzen, und zweitens können Fehler nur gemacht werden, wenn Ankündigungen auch umgesetzt werden. Ein Vergleich der heutigen 1. Mai-Feiern mit früheren zeigt, dass die Wiener SPÖ immer weniger Grund zum Feiern hat. Das lässt FunktionärInnen unruhig werden. Nicht, weil das Wahlvolk, das mitfeiert, sondern weil die Chancen auf profitable Job immer kleiner werden. Wie einst Jugoslawien durch den mächtigen Josip Broz Tito zusammengehalten wurde, so hielt der mächtige Michael Häupl die auseinanderdriftende Wiener SPÖ zusammen; ganz ohne Ohrwaschl abreißen.
Michael Häupl scheint, noch bevor es hieß, Mike has left the Town Hall, entzaubert geworden zu sein. Das Runtermachen fällt leichter, je weiter einer in die Knie gegangen ist.
Wir werden nie erfahren, ob Häupl für Wehselys Verbleib war. Das spielt für die Zukunft der Wiener SPÖ auch keine Rolle. Wichtiger wäre ein Schlussstrich, denn zu viele verstanden KAV als Abkürzung für Konsens Aller Versagerinnen.
Niemand hat ernsthaft geglaubt, dass die Wiener SPÖ im Zuge der Umgestaltung ihrer Stadtregierung eine öffentliche Beichte ablegen wird. Aber musste Michael Häupl ihren Abschied deshalb schön reden: "Ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung, nach 13 Jahren in der Wiener Stadtpolitik neue Herausforderungen in der Privatwirtschaft anzunehmen. Ich bedanke mich bei Sonja Wehsely für ihre engagierte Arbeit und wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg."
Warum musste die Wiener SPÖ Wehselys Abschied auf ihrer Homepage zelebrieren?
Kein Wort über die parteiinternen Grabenkämpfe:
"Nur wer den Mut zur Veränderung hat, kann etwas bewegen, denn Stillstand bedeutet Rückschritt."
Stadträtin Sonja Wehsely
Warum beruft sich die Wiener SPÖ auf Julius Tandler:
"In der Tradition des Stadtrats für Wohlfahrts- und Gesundheitswesen, Julius Tandler, sieht Sonja Wehsely die wichtigste Aufgabe sozialdemokratischer Politik darin, ganz konkrete Verbesserungen für jene Menschen zu erreichen, die auf ein hervorragendes öffentliches System angewiesen sind."
Wo doch Julius Tandlers Worte für einen heutigen Sozialisten unhaltbar sind:
"Welchen Aufwand übrigens die Staaten für völlig lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen, dass die 30.000 Vollidioten Deutschlands diesem Staat zwei Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung. Gewiss, es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird auch die Idee, dass man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbewusstsein dringen."
So wie man im 30-jährigen Krieg entweder katholisch oder evangelisch war, so ist frau heute links oder rechts. Den Habsburgerischen war der schlechteste Katholik lieber als der beste Evangelische. Die Person war egal, ihre Taten waren egal, nur ihr Bekenntnis war wichtig. Und wenn es auch nur ein Lippenbekenntnis war.
In Zeiten der Globalisierung, in denen alle Ressourcen - bis auf den Menschen - teurer werden, wäre eine starke Sozialpartei wichtiger als in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs. Ich habe in meinen jungen Jahren im Ausland noch ganz selbstverständlich an Samstagen bis mittags gearbeitet. Natürlich ist ein Wochenende, das am Freitag beginnt, angenehmer. Aber ein kurzes Wochenende, das am Montag durch bezahlte Arbeit beendet wird, ist besser, als ein langes Wochenende, dem nur eine weitere Woche der Arbeitslosigkeit folgt.
"Wehsely Ja oder Nein" kann nicht auf "Flüchtlinge Ja oder Nein" reduziert werden. Die Probleme der SPÖ sind weitaus umfassender. Cap verlor 4.000,-- als er seinen Job als Klubobmann an Schieder abtreten musste und zum "normalen" Abgeordneten degradiert wurde. Er bekam einen parteiinternen Nebenjob, der ihm 4.000,-- Zusatzeinkommen bescherte.
Wehsely geht nun nach Deutschland in die Privatwirtschaft. Zu Siemens. So wie vor ihr schon Ederer. Und während die Vernetzung Siemens mit sozialistischen Politiker (zB Schmiergeldaffäre Mandelis) vergessen ist, erinnern sich noch viele an Stronachs Einkaufstouren, die viele Politiker an sein Unternehmen banden.
Aber wenn sich ein Barroso sein Telefonbuch von Goldman Sachs vergolden lässt, einer Lagarde trotz der grob fahrlässigen Veruntreuung von 400 Millionen Euro als IWF-Chefin vom IWF das Vertrauen ausgesprochen wird, dann kann auch eine ehemalige Wiener Stadträtin in die "Privatwirschaft" wechseln.
Aber bitte nicht mit Schulterklopfen; zumindest nicht so lange, so lange die Messer noch im Rücken stecken.