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Die Demontage der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt ist eine "Dreistigkeit".
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Viel war in den letzten Monaten über die Wiener Zeitung in nationalen, wie internationalen Medien zu lesen. Die Einstellung der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt ist auf dem Weg, das Gesetz dazu bereits eingebracht, allen Bedenken und kritischen Stimmen zum Trotz.
Was als Einsparung für die Wirtschaft verkauft wurde, wird nun als Haushaltsabgabe doch fällig. Mit 25 Cent pro Monat und Haushalt aus dem erwarteten Überschuss durch den ORF-Beitrag, durch den die Wirtschaft noch mehr belastet wird, könnte der Fortbestand des Journalismus in Print und Online gesichert werden, heißt es in einer Resolution der Redakteursversammlung. Am Ende ist es eine Tageszeitung weniger, in einem Land, das ohnehin wenige Zeitungen hat und dringend mehr gebrauchen könnte. Und auch der Presserat stöhnt unter dem Kostendruck und den Finanzplänen der Regierung.
Eine Dreistigkeit
In einem Interview mit dem Standard kritisiert Paul Vécsei, leitender Redakteur der "Wiener Zeitung" und auch Koordinator des Redaktionskomitees "Rettet die Wiener Zeitung" und Präsidiumsmitglied der JournalistInnengewerkschaft die Umbaupläne bei der Wiener Zeitung: "Die Regierung vernichtet vorsätzlich eine Qualitätszeitung, und Blimlinger spricht auch noch über 'erfreuliche Adaptierungen' in Aussendungen". Es sei eine "Dreistigkeit, mit der die grüne Mediensprecherin die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt demontiert", so Vécsei gegenüber dem Standard.
Es geht in diesem Artikel auch um die Zahlen - und natürlich die Fakten: In einem Interview sagte Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, dass in Zukunft 18 Millionen Euro für die "Wiener Zeitung" zur Verfügung stünden. "Die Redaktion bekommt von dem Geld aber nur einen Teil, viel wird ganz geplant in andere Unternehmensbereiche gesteuert, etwa in den von allen Experten kritisierten Media-Hub", sagt Vécsei zum Standard. "Gemessen an den mehr als 200 Millionen Euro öffentlicher Stellen für Inserate könnte die 'Wiener Zeitung' mit einem Minibetrag gerettet werden."
Und auch das Thema Abos und Leserzahlen - ein Lieblingsframe der Regierung, wenn es um das Einstellen der Wiener Zeitung geht, wird angesprochen: "Nie spricht sie (Blimlinger, Anm.) über unseren Online-Auftritt. Uns folgen mehr als 60.000 Personen auf Twitter und fast 50.000 auf Facebook. Wir erreichen bereits jetzt auch jüngere Leser online. Und selbst im Printbereich gibt es am Wochenende mit mehr als 40.000 aufgelegten Exemplaren viel Interesse." Im besagten Standard-Interview nannte Blimlinger eine verkaufte Auflage von 8.000 Stück. Die durchschnittliche Auflage beträgt unter der Woche 14.250 Exemplare, am Wochenende sind es knapp 39.000. "Dialogverweigerung gegenüber der Redaktion und Zynismus gepaart mit falschen Zahlen sind Merkmal bei Blimlinger und Medienministerin Susanne Raab in ihrer Strategie, die älteste noch bestehende Zeitung der Welt zu zerstören", so Vécsei.
Interessant ist diese Darstellung vor allem für Menschen, die Zusammenhänge erfassen und die historischen Entwicklungen sehen können. Die Wiener Zeitung war de facto nie als "normale Kaufzeitung über Inserate finanziert" konzipiert, auch Regierungsinserate erschienen, wie man so manchen Chats entnehmen darf, woanders - definitiv nicht bei der Wiener Zeitung. Der Wiener Zeitung nun den Vorwurf zu machen, dass man nicht kommerziell erfolgreich wäre, wo es doch gar nie so geplant und erdacht war - als kleiner Exkurs, nicht einmal die Kosten einer Ausgabe kann man im Haus selbst festlegen, was dies bei steigenden Papier- und Druckkosten bedeutet, möge der geneigte Leser und die geneigte Leserin sich selbst zusammendenken.
Während andere Zeitungen massive und langjährige Werbekampagnen fahren und Abos, etwa vor Universitäten, an die Leserschaft der Zukunft bringen wollen, ihre Preise erhöhen und Anzeigenverkäufer haben, die vermutlich mehr sind als die Redaktion der Wiener Zeitung, war die Wiener Zeitung stets auf anderen Wegen zu finden. Denn so war das Konzept, seit Jahrzehnten. Und nun wurde daraus ein Vorwurf gemacht - und daraus die Basis für das Ende der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt. (red)