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Die wilden "Schwarzen" mit ihren Maschinen: 50 und kein bisschen leise

Von Johann Farkas

Wirtschaft

Es war in den kalten Novembertagen des Jahres 1953 - Benzin kostete pro Liter vier Schilling und elf Groschen, von Staus auf den Straßen war keine Rede - da beschlossen Robert Wöhrer - seines Zeichens Importeur der englischen Triumph-Motorräder - und der Rennfahrer Hans Bahmer im Stiegl- Bräu auf der Wiener Mariahilfer Straße, gemeinsam mit ein paar anderen Triumph-Rennfahrern einen Club zu gründen.


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Damals wurde Robert Wöhrer zum Präsidenten gewählt, Hans Bahmer regierte den neuen Club als Obmann mit eiserner Faust. Die Worte: "Meine Herren halt´s die Goschen" wurden legendär - als Zeichen für die Mitglieder zu höchster Aufmerksamkeit, wenn der Herr Obmann dem Auditorium etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.

Es war die Zeit der Marken- Clubs. Die Glaubenskriege gingen soweit, das zum Beispiel eine BSA abgestellt am Straßenrand zwischen Triumph-Motorrädern ein Ding der Unmöglichkeit war - höchstens auf der anderen Straßenseite, aber noch besser um die Ecke war Parkraum für Nicht-Triumph-Maschinen.

Von Beginn an hatte sich der Verein dem Motorsport verschrieben. Straßenrennen und Rallyes wurden mit Teams beschickt, die sehr erfolgreich in ganz Europa mit ihren Triumphmaschinen so manchen Pokal und Siegerkranz nach Wien holten. Bergrennen und Rundstreckenrennen waren die Domäne, aber auch im Geländesport wurde so mancher Sieg heimgefahren.

Robert Wöhrer - in seiner aktiven Zeit selbst erfolgreich im Gespann unterwegs - unterstützte den Sportbetrieb, wo immer er konnte. Anfang der Sechziger war der "Club" eine echte Macht im Rennsport - mit einem aktiven Mitgliederstand von mehr als zweihundert Mann.

Als Stunts noch live auf dem Hauptplatz zu sehen waren

Es gab damals keine Motorradsportveranstaltung, bei der die "Schwarzen" nicht vorne mitmischten. Zehntausend Zuschauer und mehr waren keine Seltenheit wenn Hans Bahmer mit seinen Mannen gegen andere Marken-Clubs ein Rennen rund um den Hauptplatz einer Kleinstadt bestritt. Da damals das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte, wurden die Stunts live bestaunt. So etwa jener Fahrer, der sich bei einem dieser Straßenrennen mit seiner 250er verbremste, die Eingangstüre zu einer Trafik durchschlug und, im Geschäft gelandet, die Gunst der Stunde nutzte und zur verdutzten Trafikantin sagte: "Gehn´s, geben`s mir a`Packl Zigaretten, wenn ich schon da bin". Damals ahnte wohl kaum einer der Beteiligten, dass diese Vereinigung noch fünfzig Jahre später bestehen würde.

Als der Straßenrennsport Anfang der Sechziger-Jahre zusammen mit dem langsamen Niedergang der großen Motorradmarken zu stagnieren begann, engagierte man sich bei Wertungsfahrten oder beim Trial. Unvergessen sind die Trials in Tulln, die jahrelang zum fixen Repertoire der Kinowochenschauen und später des ORF gehörten. Zu dieser Zeit wurden Sektionen gegründet - von der die Tullner Abordnung auch heute noch voll aktiv die Fahnen des Clubs hochhält.

Ein Meilenstein in der Historie des Clubs war die Hilfestellung des ÖASC (Österreichischer Automobilsportclub), bei dessen Veranstaltungen nun auch Motorradrennen ausgetragen wurden. Flugplatzrennen wie in Aspern, Klagenfurt oder Innsbruck und Bergrennen wie auf der Dobratsch, dem Gaisberg oder der Axamer Lizum gehörten von nun an zum Programm. Man tankte beim Martha-Renn-Dienst, faßte bei Castrol die Öle und bei Bosch die Zündkerzen aus. Die Firma Teha gab einen Club-Rabatt. Für die restlichen Ausgaben wurde die eigene Tasche strapaziert, Sponsoren gab es im heutigen Sinne keine. Als 1969 der Österreichring in Zeltweg eröffnet wurde, begann die bis heute andauernde Geschichte des Silver-Cups.

Die beiden Gründer von 1953 führen übrigens auch noch heute den Club - unterstützt von etlichen der damals 35 Mann aus den wilden Anfangszeiten. Ja, die zahllosen Geschichten von damals. . . Wie etwa diese, wo nach einem Sprint in Kottingbrunn beim anschließenden Festschmaus am Hocheck einem gewissen Günther W. das Motorrad auf den Aussichtsturm getragen wurde, nur um ihm bei der morgendlichen Abfahrt seine allseits beliebte und ständige Redewendung "Des gibt's ja net" wieder einmal zu entlocken.. .

Aus den "Schlurfs" der 50erJahre sind gestandene Mannsbilder geworden, die nicht selten schon ihren wohlverdienten Ruhestand genießen - aber immer noch im Sattel. Auch den Übergang vom reinen Markenclub zum offenen Club haben die großen Alten des Wiener Motorradsports Anfang der Siebziger überstanden. In diesen Tagen gibt es kaum mehr eine Triumph im Fuhrpark der Mitglieder mehr, die diversen Rennen und Meisterschaften werden auf Aprilia, MV Agusta und selbstverständlich auf japanischen Maschinen ausgetragen- Denn, wie schon immer, der Motorsport ist und bleibt das Wichtigste für die Mannen mit den schwarzen Helmen - und da kann halt der englische Hersteller, mittlerweile auch schon über 100 Jahre alt, nicht so recht mithalten.

Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Staatsmeisterschaften - nicht nur in Österreich, sindern auch in Ungarn Tschechien, der Slowakei und Italien werden von den nimmermüden Funktionären des Clubs ausgetragen. Dazu kommen noch die nach englischem Vorbild veranstalteten "Club Races", welche bei den Mitgliedern großen Anklang finden - bei der Clubmeisterschaft werden auch auch über Siebzigjährige zum Drehgriffwuzzeln animiert, um am Ende der Saison mit schönen Preisen und Pokalen belohnt zu werden.

Der wohl traditionellste Event ist und bleibt das Braunsbergrennen, das von einer Straßen-Berg-Meisterschaft zu einem Geländewettbewerb mutierte, der auch für Nicht-Mitglieder veranstaltet wird, und den absoluten Schlusspunkt der österreichischen Motorradsport-Saison bildet.

Organisatorisch ist dies alles keine kleine Herausforderung - sie wird zur Gänze ehrenamtlich bewältigt. Große Summen müssen hier alljährlich aufgestellt werden - dabei ist die Suche nach Sponsoren zu einem immer mühsameren Unterfangen geworden. Vorbei sind die Zeiten, in denen bei einer Veranstaltung ein Tankwagen für den nötigen Sprit zur Verfügung gestellt wurde. Ständig ist der Club und allen voran der nimmermüde "Hans" auf der Suche nach Firmen, die in die Tradition investieren wollen.

Was wäre der Saisonschluss für alle Motorrad-Insider ohne die berühmte Meisterschaftsfeier, bei der einmal im Jahr das düstere Hinterzimmer des Club-Beisels mit dem noblen Ambiente eines Ballsaales in einem Grand-Hotel getauscht wird. Geladene Prominenz aus Politik, Sport, Industrie und den Medien kommt gerne - laut Hans Bahmer traut sich sowieso keiner abzusagen - und amüsiert sich über die kabarettreifen Einlagen des Vize-Präsidenten beim Verteilen der Ehrungen und Pokale.

Traditionen werden

weiter hoch gehalten

Dieses Jahr wird es besondere Anstrengungen geben, gilt es doch, den 50er zu feiern. Bei alem Wandel: Es wird die alte Tradition auch weiterhin gepflegt werden, sowohl in sportlicher Hinsicht wie auch bei der Einhaltung der Vereins- Statuten. Die wurden seit 1953 nie geändert - weil sich die niemand zu ändern traute, wie gemunkelt wird - und die unter anderem keine Damen im Club erlauben. Sorry, das ist halt so - und heißt natürlich nicht, dass die Club-Mitglieder nicht der holden Weiblichkeit huldigen. Die Geschichten um die amourösen Abenteuer der "Schwarzen" sind mindestens ebenso zahlreich wie die um die sportlichen.

Und: Auch heuer wird am 24. Dezember wieder eine Abordnung unterwegs sein, um auf den Gräbern der verstorbenen Club-Kameraden eine Weihnachtskerze anzuzünden. Keiner wird vergessen - ein alter Brauch von Generation zu Generation weitergegeben. Im Laufe der Jahrzehnte wurde nicht nur das Gold und Silber der Trophäen mehr, auch die Zahl der Kerzen hat sich leider erhöht . . .