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Die drei schönsten TAge im Jahr, das sind für die Basler die Tage der Fasnacht. Rund 200.000 Besucher bestaunen Jahr für Jahr das bunte Treiben der Fasnachtler, das heuer vom 14. bis 16. März über die Bühne der Basler Innenstadt geht.
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Wenn am Montag nach Aschermittwoch von St. Martin, der ältesten Kirche Basels, der Vieruhrschlag ertönt, beginnen die "drey scheenschte Dääg". Mit dem Ruf "Morgestraich vorwärts marsch!" setzen sich die Cliquen, wie die einzelnen Gruppen genannt werden, in Bewegung. Das lange Warten hat ein Ende und die Basler Fasnacht beginnt. Alle Lichter der Innenstadt werden gelöscht und die einfache, traditionelle und archaisch anmutende Melodie des "Morgestraichs" erfüllt die Gassen und Straßen. Einzige Lichtquellen sind die mächtigen Zugslaternen, die Steckenlaternen der Vorträbler und die Kopflaternen auf den Larven eines jeden einzelnen. Selbst eingefleischten Fasnachtlern wie Christine, die für Basel Tourismus arbeitet, läuft dabei jedes Mal der Schauer über den Rücken.
So eine Fasnacht in Basel ist eine ernste Angelegenheit und im Gegensatz zu anderen rheinischen Karnevalstreiben gibt es eine strikte Trennung zwischen Aktiven und Zuschauern. Spontanes Mitmachen ist verpönt. Hier läuft alles streng reglementiert und nach einer genauen Etikette ab. Und die ist so kompliziert, dass man auf mehrmaliges Nachfragen ganz unterschiedliche Auskünfte bekommt. Jeder der etwa 18.000 aktiven Fasnachtler trägt ein Kostüm mit einer Larve, einer Maske. Darunter werden das Gesicht und der gesamte Körper verdeckt, der Träger des Kostüms ist nicht zu erkennen. Es gehört zum guten Ton, dass ein Fasnachtler sich nicht in der Öffentlichkeit erkennen lässt. Die Cliquen tragen, außer beim Morgestraich und am Fasnachts-Dienstag, einheitliche Kostüme, die meist dem "Sujet", dem Thema der Clique, angepasst sind. Bei den Kostümen kennt die Fantasie keine Grenzen. Oft sind die Masken Personen des öffentlichen Lebens, Politikern und anderen Prominenten nachempfunden, manchmal auch Comic-Figuren oder Tieren. Es gibt aber auch traditionelle Larven, die an die französische Armee der Napoleonischen Kriege erinnern, Harlekine oder die vor allem bei Einzelpersonen und Wagen-
cliquen beliebten Waggis-Larven.
Räppli statt Konfetti. Am auf-
fälligsten sind die Pfeifer- und Tambouren-Cliquen, die mit ihren Piccoloflöten und Trommeln die Stadt beschallen. Neben den pfeifenden Cliquen nehmen auch Guggenmusik-Gruppen mit Blechblasinstrumenten an der Fasnacht teil. Sie sind allerdings nicht beim Morgestraich anzutreffen, sondern nur bei den Cortèges, wie die Umzüge durch die Innenstadt genannt werden, am Montag und Mittwoch sowie an den Abenden, insbesondere am Dienstagabend bei den Gugge-Konzerten. Es ziehen aber auch viele Einzelpersonen und kleine Gruppen durch die Straßen, die als "Schyssdräggziigli" bezeichnet werden und gerne als Waggis kostümiert ahnungslose Zuschauer mit Konfetti (im Baseldeutsch Räppli genannt) bewerfen oder es ihnen auch in die Jacke stopfen. Vor allem jene, die keine Fasnachtsplakette tragen, sind beliebte Opfer.
Die Fasnachts-Plaketten werden vom Fasnachts-Comité herausgegeben, das seit 1911 die Fasnacht organisiert. Es gibt sie in vier Ausführungen. Die günstigste ist aus Kupfer und kostet acht Franken, für die teuerste aus Echtsilber mit Vergoldung, die zu Recht "Bijou" (Juwel) genannt wird, muss man 100 Schweizer Franken berappen. Der Reinerlös kommt den Fasnachtsgruppen zugute. Es wird zwar von Besuchern nicht explizit verlangt, aber erwartet, dass sie eine Plakette kaufen, um die Finanzierung der Gruppen sicherzustellen.
Für die heurige Fasnacht, die vom 14. bis 16. März stattfindet, hat der Künstler Domo Löw Plaketten in Form von Puzzle-
teilen gestaltet, die die verschiedenen Teilnehmer der Fasnacht zeigen. Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass
diese "Blagedden" begehrte Sammlerstücke sind.
Gleichmacher Karneval. Die Basler Fasnacht ist ein Anachronismus an sich. Würde man doch meinen, dass in der reformierten Stadt Basel der Karneval, bei dem sich nach guter katholischer Sitte die Gläubigen vor dem Beginn der 40-tägigen Fastenzeit noch nach Herzenslust amüsieren dürfen, kein Thema ist. Das Amüsement scheint dem Betrachter von auswärts auch gar nicht die eigentliche Triebfeder für diesen Mummenschanz zu sein. Eher schon die Sitte des ungestraften Kritisierens, die dem Karneval als großem Gleichmacher, als kurzer Zeitspanne, in der Diener und Herren gleichgestellt sind und die Maske dem Spötter und Kritiker Anonymität und damit Straffreiheit zusichert, zugeordnet ist. Erste Zeugnisse von solch ausgelassenen Festen unter dem Motto des Gleichheitsprinzips existieren aus dem Zweistromland vor 5000 Jahren. Das Maskentragen und die damit verbundenen Annehmlichkeiten erfreuten sich in Venedig so großer Beliebtheit, dass etwa die "Bauta" auch während des Jahres und nicht nur im Karneval getragen wurde. Ungeachtet der Verbote, die diesbezüglich erlassen wurden.
Der Spott und die satirische Betrachtung sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der Basler Fasnacht. Die meisten Cliquen haben sich für die Fasnacht ein sogenanntes Sujet vorgenommen, das während der Fasnacht präsentiert wird. Es handelt sich dabei um Themen der Zeitgeschichte, regionale und internationale Begebenheiten, an denen in meist satirischer Form Kritik geübt wird. Die Sujets werden beim "Morgestraich" auf Laternen dargestellt. Beim Cortège sind auch die Kostüme und oftmals ein Requisit dem Thema angepasst. Praktisch alle Cliquen verteilen außerdem thematisch passende Zeedel, Handzettel mit ironischen Versen.
Die ursprünglich aus dem alemannischen Raum stammende Guggenmusik, auch als "Chatzenmusig" bekannt, gehört ebenfalls zur Basler Fasnacht. Es handelt sich dabei um eine stark rhythmische, auf ihre eigene, sehr spezifische Art "falsch" gespielte Blasmusik, die schräg und unangepasst ist. So entsteht eine wilde, mitreißende Musik, gut tanzbar und hervorragend geeignet für spontane Platz- und Straßenkonzerte während der "wilden Tage". Auch die Musiker sind verkleidet und maskiert.
"Karneval ist vulgär, mit aller Größe und allem Schrecken des Vulgären, aber nie frivol. Fasching ist eine Erfindung der Bohème, der Karneval stammt aus dem Volk, er ist klassenlos, so wie eine an-
steckende Krankheit keine Klassenunterschiede kennt", schrieb Heinrich Böll, der im legendären Kafihus "Zum Isaak" am Münsterplatz in Basel Stammgast war.
Doch auch die Basler Fasnacht läuft Gefahr, kommerzialisiert zu werden. Davon zeugen nicht nur die Apelle des Fasnachts-Comité an die Kaufmannschaft, beim "Morgestraich" auf die Beleuchtung der Schaufenster zu verzichten, sondern auch der zunehmende Besucherandrang. Um Kritikern, die die Fasnacht als bloße Touristenattraktion abtun, den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat das Comité eine Studie über den Stellenwert der Fasnacht erstellen lassen. Demnach ist die Fasnacht nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor - wegen der Fasnacht werden jährlich mindestens 28 Millionen Franken ausgegeben -, sondern sie ist auch in der Bevölkerung als wertvolle Traditionspflege fest verankert. Soweit die Studie dies nachweisen kann, werden weit über 500.000 Arbeitsstunden pro Jahr ehrenamtlich für die Fasnacht erbracht.
Der letzte Trommelschlag und der letzte Piccolo-Ton verhallen am Donnerstag früh wiederum um vier Uhr morgens, dem Zeitpunkt des "Ändstraichs". Dann ziehen sich die Fasnachtler widerstrebend zurück und auch die Beizlis, die ihre Gäste 72 Stunden rund um die Uhr versorgt haben mit "Basler Mählsuppe", oder mit "Zibelewaije" oder "Käswaije" (eine Art Quiche mit Zwiebeln oder Käse belegt), dürfen endlich schließen. Und für die Basler, die während dieser Tage beim "Gässle" im langsamen Gleichschritt die großen und auch kleinsten Piccolo- und Trommlerformationen durch die schmucke Innenstadt begleitet haben, beginnt wieder der Alltag. Bis es aufs Neue heißt "Morgestraich vorwärts marsch!"