Nach einem geringen Wachstum im Jahr 2015 dürfte die Konjunktur 2016 und 2017 rascher wachsen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Eine deutliche Konjunkturbelebung ist in den nächsten beiden Jahren nicht zu erwarten, darüber sind sich die Experten einig. Im Vergleich zu der trägen Entwicklung in den vergangenen vier Jahren ist das für 2016 und 2017 prognostizierte Wirtschaftswachstum des Wifo von je 1,7 Prozent und des IHS von je 1,5 Prozent aber durchaus beachtlich.
Diese relativ hohen Zuwachsraten ergeben sich für das Jahr 2016 allerdings hauptsächlich aufgrund von Sondereffekten: nämlich der Steuerreform und des Flüchtlingszustroms. Ohne sie würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur geringfügig stärker wachsen als im Vorjahr. "Die Flüchtlinge, die in der Grundversorgung sind, geben das Geld natürlich auch aus und regen damit den Konsum an", sagte Wifo-Chef Karl Aiginger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Donnerstag. Diese Form des Defizit-Spendings habe kurzfristig einen positiven Effekt, mittelfristig einen negativen, da es das Budget belaste, langfristig aber wieder einen positiven. "Denn wegen der Überalterung der Gesellschaft brauchen wir die Flüchtlinge auch als Arbeitskräfte", sagt Aiginger.
Nicht nur die Flüchtlinge haben die Konsumnachfrage erhöht, auch die Steuerreform hat sich positiv ausgewirkt. Hinzu kommt die neuerliche Rohölverbilligung, die zu einer Zunahme der Kaufkraft der österreichischen Haushalte geführt hat. "Der Konsum zieht nach einer langen Schwächeperiode wieder an", so IHS-Chef Helmut Hofer.
Ebenfalls positiv auf das verfügbare, reale Haushaltseinkommen wirkt sich die niedrige Inflation aus. Mit 1,1 Prozent (Wifo) beziehungsweise 1,0 Prozent (IHS) dürfte sie zu einem spürbaren Anstieg des privaten Konsums und trotz niedriger Zinsen zu einem Anstieg der Sparquote führen. Erfreulich sind die niedrigen Zinsen für den Staat: "Durch sie sinkt der Zinsaufwand um 100 bis 200 Millionen Euro", sagte Aiginger.
Deutlicher Preisanstiegbis 2017 erwartet
Bis zum Jahr 2017 rechnen sowohl das Wifo als auch das IHS mit einem weiteren Preisanstieg von 1,8 beziehungsweise 1,7 Prozent. Grund dafür dürften die steigenden Importpreise sein, sowohl bei Rohstoffen, als auch bei Warenimporten. Hinzu kommen die Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes im Rahmen der Steuerreform und die insgesamt deutliche Zunahme der Binnennachfrage.
Trotz eines insgesamt niedrigen Niveaus ist die Inflationsrate in Österreich deutlich höher als in anderen europäischen Ländern: "Österreich ist nicht unbedingt schlechter geworden, die anderen sind besser geworden", sagte Hofer dazu. So wird in Deutschland für 2016 eine Inflationsrate von nur 0,5 Prozent prognostiziert. Experten begrüßen diese Entwicklung, denn eine höhere Inflation schwächt die Nachfrage und den Konsum.
Während sich der private Konsum in Österreich in der jüngsten Vergangenheit positiv entwickelt hat, erhält die Exportwirtschaft wegen der zögerlichen Entwicklung des Weltmarktes nur begrenzte Impulse. "Die Weltwirtschaft expandierte auch im 1. Quartal 2016 ähnlich verhalten wie im 4. Quartal 2015 und ist somit erneut hinter den Erwartungen zurückgeblieben", konstatierte Aiginger. In wichtigen Industrieländern wie den USA und Japan blieb das Wirtschaftswachstum gedämpft.
Für das Jahr 2017 rechnen das Wifo und das IHS allerdings mit einer spürbaren Belebung des Welthandels, was das Exportwachstum antreiben und zum heimischen Wachstum beitragen dürfte. In China sollten dem Wifo zufolge die wirtschaftspolitischen Bemühungen um eine Konjunkturbelebung erste Erfolge erzielt haben. Auch in Russland und Brasilien ging die Rezension deutlich zurück. Das Wifo geht davon aus, dass infolge der erwarteten Festigung der Rohstoffpreise und der konjunkturfördernden wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Konjunktur insgesamt wieder an Dynamik gewinnt.
Potenzial sehen das Wifo und das IHS auch bei den Investitionen der heimischen Unternehmer. "Wir haben eine Investitionsschwäche aus mangelnder Zuversicht", sagte Aiginger. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe seien davon betroffen. Zum einen seien komplizierte Vorgaben der Banken daran schuld, zum anderen Pessimismus. Die Politik müsse gute Stimmung machen, forderte Aiginger. Von einer Wertschöpfungsabgabe halten die Experten wenig In Zeiten niedriger Investitionen sei es nicht sinnvoll, diese weiter zu verteuern, so der Tenor.
Hohe Beschäftigung und steigende Arbeitslosigkeit
Positiv sehen die Institute die Entwicklung der Beschäftigung für 2016 und 2017. Sie prognostizieren aufgrund der Wachstumsbelebung einen deutlichen Anstieg. Die Zunahme der Beschäftigung dürfte den Zuwachs an Arbeitskräften allerdings nicht aufwiegen können. Dieser ergibt sich daraus, dass immer mehr ältere Menschen länger arbeiten, die Erwerbsquote von Frauen weiterhin ansteigt und zugleich ausländische Arbeitskräfte im Rahmen der traditionellen Migration auf den Arbeitsmarkt strömen. Hinzu kommt die steigende Zahl der beim AMS erfassten Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten. Bis 2017 rechnet das Wifo mit 9,6 Prozent und das IHS mit 9,7 Prozent Arbeitslosen.
Den Auswirkungen eines Brexits sehen sowohl Aiginger als auch Hofer gelassen entgegen. "Ich glaube nicht an einen Brexit", sage Hofer. "Falls es aber doch so weit kommt, wird es hauptsächlich die Briten selbst treffen." Österreich sei mit Großbritannien nur wenig verflochten, nur drei Prozent unserer Exporte würden dorthin geliefert. Großbritannien selbst müsste im Fall einer "Leave"-Entscheidung "0,2 bis 0,4 Prozent" Wachstumsverlust für seine Wirtschaft hinnehmen, so Aiginger.