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Die Wirtschaftskrise verdünnt sich bereits zum Objekt der Historiker

Von Engelbert Washietl

Wissen

Felix Butschek präsentiert Summe seines Lebens als Wirtschaftsforscher.


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Der 79-jährige österreichische Wirtschaftsforscher Felix Butschek präsentiert die umfang- und kenntnisreiche Summa seines Forschungslebens. Er lässt Österreichs Wirtschaftsgeschichte mit den alten Römern einsetzen, also in der Zeit, in der der europäische Individualismus erfunden wurde. Neugierige Zeitgenossen werden seine Geschichte von hinten aufrollen, nämlich aus der Ära der Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer und Werner Faymann. Die drei Kanzler hatten und haben es wirtschaftspolitisch mit geänderten Parametern zu tun.

Das "goldene Zeitalter", das in europäischen Staaten durch den Aufschwung nach dem Wiederaufbau nach 1945 gekennzeichnet war und etwa bis zur Erdölkrise gedauert hatte, ist vorbei. Die Nöte mit Haushaltssanierung und einem wild gewordenen Finanzmarkt prägen die Lage. Zwar hatte man das Platzen der "dot.com-Blase" von 2000 rasch im Griff, aber selbst gelehrte Analytiker täuschten sich. Der Nobelpreisträger Robert E. Lucas hielt 2003 das "Problem der Depressionsvermeidung" in jeder Hinsicht für gelöst.

Die Weltwirtschaftskrise lehrte das Gegenteil. Zur Bändigung der Finanz- und Wirtschaftskrise unserer Jahre konnte aber nach der längsten Friedensperiode Europas weit mehr Kraft und Erfindungsgeist aufgeboten werden als nach den Zusammenbrüchen der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. "Angemessene Reaktionen" waren möglich, auch wenn die EU bis heute nicht zur Vollform aufgelaufen ist. Österreich kam relativ gut durch. Unter anderem nennt der Historiker das Osteuropa-Engagement als Grund, das 1989 dort ansetzte, wo es mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges aufgehört hatte.

Optimistischer Blick

Freilich wurde dieses Engagement zu einem Teil der Krise, aber der Autor blickt optimistisch voraus: Es sei zu erwarten, dass sich die ost- und südosteuropäischen Staaten mittelfristig erholen. Als Mitarbeiter des Sozialministeriums (1955 bis 1962), Sekretär des Bundespräsidenten Adolf Schärf und vieljähriges Mitglied des Wirtschaftsforschungsinstituts ist Butscheks Glaube an den Segen der Sozialpartnerschaft eher gewachsen denn gesunken. Die außerordentliche politische Stabilität des Landes "resultiert nicht nur aus der Sozialpartnerschaft, sondern ergibt sich auch aus den Folgen der durch diese bestimmte Politik".

Felix Butschek: Österreichische Wirtschaftsgeschichte. Böhlau Verlag, 616 Seiten, 50,40 Euro.