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Mehr als 100 Millionen US-Bürger haben vor nun einer Woche ihren neuen Präsidenten gewählt und einmalig in der modernen Geschichte der USA steht auch acht Tage danach noch nicht fest, wer das ist. In drei Bundesstaaten sind die Wahlmännerstimmen noch nicht zugeteilt: 25 in Florida, 5 in New Mexico und 7 in Oregon. In New Mexico, das am Wahlabend bereits dem Gore-Lager zugerechnet wurde, führte einmal Bush, dann wieder Gore mit nur wenigen Stimmen Vorsprung. Derzeit liegt nach den letzten verfügbaren Ergebnissen Bush mit 116 Stimmen vorne. In Oregon, wo es - für Europäer unvorstellbar - im ganzen Bundesstaat kein Wahllokal gab, wartet man noch immer, dass die Wahlzettel per Post einlaufen. Nach den bisher ausgezählten Stimmen liegt Gore um 5.565 Stimmen vor Bush.
Die Augen Amerikas und die der ganzen Welt richten sich aber nach Florida, wo die Wahl letzten Endes entschieden wird, und hier auf vier Wahlbezirke. Nach den bisher vorliegenden letzten Ergebnissen, die allerdings noch inoffiziell sind, nicht zuletzt da die Wahlkartenwähler noch ausstehen, führt Bush gerade noch mit 388 Stimmen Vorsprung. Am Tag nach der Wahl waren es noch 1784 gewesen.
Ganz offensichtlich wegen eines irreführenden Stimmzettels im Wahlkreis Palm Beach hat dort der rechtsextreme Kandidat Pat Buchanan rund 3000 Wähler, die eigentlich den demokratischen Kandidaten Al Gore im Weißen Haus sehen wollten, für sich gewinnen können. Darüber hinaus sind in diesem Wahlkreis mehr als 19.000 Stimmzettel für ungültig erklärt worden.
Für europäische Begriffe mutet es schon seltsam an, dass die Auszählung der Stimmzettel nicht händisch, sondern maschinell erfolgt. Bei der ersten maschinellen Nachzählung konnten sowohl Bush als auch Gore Stimmen dazugewinnen, Gore allerdings wesentlich mehr als Bush. Eine kleine Stichprobe, die in Palm Beach durchgeführt wurde, zeigte dann am Wochenende, dass bei einer händischen Auszählung die Stimmenzuwächse für Gore noch deutlicher ausfielen. Die Republikaner begannen zu befürchten, dass das Ergebnis in Florida zugunsten Gores kippen könnte, und wollten die händische Auszählung gerichtlich stoppen lassen, was ihnen aber nicht gelang. Zugleich setzte die zuständige Staatssekretärin in Florida - eine Anhängerin von Bush-Bruder Jeb, der in Florida Gouverneur ist - eine Frist für die händische Nachzählung bis Dienstag Abend, gegen die die Demokraten bei Gericht beriefen. Auch wenn diese Klage zurückgewiesen wurde, die Demokraten haben einen Trumpf in der Tasche. In Texas, wo der republikanische Präsidentschaftskandidat George W. Bush Gouverneur ist, wurde vor zwei Jahren ein Gesetz verabschiedet, das die händische Auszählung der Stimmzettel im Zweifelsfall sogar empfiehlt.
67 Prozent der Amerikaner sind allerdings laut einer von der "Washington Post" und ABC-News am Wochenende durchgeführten Umfrage dagegen, dass weitere gerichtliche Schritte nach einem Abschluss der Neuauszählung gesetzt werden, wobei 76 Prozent der Republikaner und 52 Prozent der Demokraten diese Meinung vertreten. 28 Prozent würden auch weitere gerichtliche Klärungen befürworten (43 Prozent bei den Demokraten und 18 Prozent bei den Republikanern). Die von den Republikanern zur Diskussion gestellte Neuauszählung in jenen Staaten, wo Bush knapp unterlegen ist, lehnen 56 Prozent ab und nur 37 Prozent befürworten sie.