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Die WTO-Unterhändler sehen sich bald wieder

Von Ellen Hasenkamp

Wirtschaft

Hongkong. (Afp / WZ Online) Nach sechs Tagen Verhandlungen, drei durchwachten Nächten, Streit, Drohungen und taktischen Finessen ist es den 149 Mitgliedstaaten schließlich doch gelungen, die Liberalisierung des Welthandels ein kleines bisschen weiterzutreiben. Doch unter Dach und Fach ist die angestrebte Welthandelsrunde damit noch lange nicht. Schon in einigen Wochen dürften sich die meisten Unterhändler bei der nächsten Konferenz in Genf wiedersehen: Dann müssen sie weiter um Daten und Prozentsätze ringen.


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Immerhin: Noch vor wenigen Tagen hatte eigentlich niemand mehr damit gerechnet, dass überhaupt ein Kompromiss in Hongkong möglich sein würde. Doch richtig glücklich ist mit dem Ergebnis niemand. Insbesondere Deutschland, das als Exportnation auf neue Möglichkeiten zum Verkauf von Maschinen und Autoteilen gehofft hatte, war vom Ausgang der sechstägigen Verhandlungen enttäuscht. "Gemessen an den Erwartungen unserer Industrie ist das ein schwacher Erfolg", sagte der deutsche Staatssekretär Bernd Pfaffenbach.

Mehr war aber nicht drin: Denn Deutschland und anderen Industriestaaten gelang es kaum, die ihnen am Herzen liegenden Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Statt über den weltweiten Wettbewerb von Bankgeschäften und Alu-Schrauben verhandelten die Minister und Delegierten immer wieder nur über Landwirtschaft. Mit ihrem Anteil von zehn Prozent am Welthandel gehört die Branche eigentlich nicht gerade zu den zentralen Branchen. Dafür sind umso mehr Emotionen im Spiel: Das zeigten auch die gewalttätigen Proteste der südkoreanischen Bauern auf den Straßen rund um das Konferenzzentrum, die Reis nicht nur als Nahrungsmittel, sondern als Mittelpunkt ihres Lebens sehen.

"Das ist hier eine Welthandelsrunde und keine Agrarkonferenz", nörgelte auch der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Doch in die missliche Lage auf der Anklagebank hatte sich die EU nach Ansicht vieler selbst manövriert. Zu früh sei Brüssel im Oktober mit dem Kompromissangebot zum Abbau der Landwirtschaftshilfen aus der Deckung gekommen, hieß es in den europäischen Delegationen. Das Pulver sei ohne Gegenleistung verschossen worden. Entsprechend missgelaunt war Handelskommissar Peter Mandelson. Schmallippig und unfreundlich bot er in Hongkong das genaue Gegenteil zum aufgeräumten und locker im Hemd auftretenden US-Handelsbeauftragten Rob Portman.

Denn obwohl auch die USA ihren Farmern mit Milliardensummen helfen, standen vor allem die Europäer wegen ihrer Agrarexportsubventionen am Pranger. Mit 2,6 Milliarden Euro jährlich sorgt Brüssel dafür, dass europäische Feldfrüchte auf dem Weltmarkt billiger sind. Und diese Unfairness brachte besonders den unnachgiebigen brasilianischen Außenminister Celso Amorim auf. "Unmoralisch" seien die Zahlungen, schimpfte er. Der leidenschaftliche Kinofan mit Gespür für Dramatik zögerte daher nicht, einen Sonntag früh schon greifbar scheinenden Kompromiss noch einmal zu verwerfen.

Nicht nur Amorim verschaffte sich Gehör. Auch die Entwicklungsländer, deren teilweise prächtig gekleidete Minister und Ministerinnen Farbe ins langweilige Grau der Delegationsanzüge brachten, wussten eloquent für ihre Sache zu kämpfen. Sie scheuten dabei auch vor drastischen Drohungen nicht zurück. Kameruns Handelsminister Luc Magloire Mbarga Atangana warnte, "Horden illegaler Immigranten werden die Vorstädte der reichen Länder in Brand setzen", sollten die Interessen der Ärmsten nicht beachtet werden. Bekommen haben sie dennoch nicht viel. Selbst das vielbeschworene Entwicklungspaket enthält zahlreiche Zugeständnisse an die wirtschaftlichen Interessen der Reichen. Auf die WTO-Länder wartet noch viel Arbeit.

320 Tassen Kaffee pro NachtDer WTO-Koloss macht einen winzigen SchrittDetails der Hongkonger Einigung