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Die Erinnerung an den traurigen Hofburg-Wahlkampf wäre fast schon dem gnädigen Vergessen anheim gefallen, doch dann kam die Abstimmungsschlacht um das Amt des deutschen Bundespräsidenten. Und hat bedrückend schmerzhaft vor Augen geführt, wie Demokratie auch geht - wenn man denn nur könnte.
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In Österreich verkam die Direktwahl des Bundespräsidenten zur peinlichen Farce, der Wahlkampf mangels seriöser Alternativen zu Amtsinhaber Heinz Fischer zu einer wochenlangen Qual für alle Beteiligten. In Berlin hat dagegen die Bundesversammlung gezeigt, dass ein parlamentarisches Votum über das Staatsoberhaupt demokratiepolitisch nicht weniger wert ist. Im Gegenteil sogar.
Anders als die ÖVP, die sich gegen Fischer keine Chance ausrechnete, nutzte die SPD die Möglichkeit zur Profilierung, die die Wahl des Bundespräsidenten bietet. Finanzielle Überlegungen mussten dabei keine Rolle spielen, weil aufgrund fehlender Volkswahl die Nominierung eines Kandidaten keine relevanten Kosten für eine Partei verursacht.
Ein Sieg Joachim Gaucks war von vornherein unwahrscheinlich, für SPD und Grüne ging es darum, den traurigen Zustand der schwarz-gelben Regierung von Angela Merkel allem Volk vor Augen zu führen. Die Bürger haben dank der drei notwendig gewordenen Abstimmungen mehr über den Zustand ihrer Demokratie erfahren, als es wohl jeder noch so inhaltsschwere Bundestagswahlkampf aufgezeigt hätte: Die unendliche Einsamkeit der Kanzlerin, die verzweifelten Appelle zur Geschlossenheit der koalitionären Zuchtmeister.
Im Falle einer Volkswahl hätten SPD und Grüne wohl auch nie den Mut aufgebracht, Gauck als ihren Kandidaten zu nominieren, diesen - laut eigener Aussage - streitbaren "linken liberalen Konservativen". Er wäre der eigenen linken Basis nicht vermittelbar gewesen.
Mitunter, wenngleich keineswegs zwingend, kann also eine parlamentarische Wahl die Würde der Demokratie besser bewahren als eine Direktwahl durch das Volk. Und gerade deshalb ist auch der jüngste Beschluss zur Nichtanpassung der Politikerbezüge in Österreich falsch. Die Demokratie beschädigt sich mit diesem populistischen Schritt nur selbst: Den Populisten aller Lager wird es nie genug sein, die Besten wird es abschrecken.