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Die "Würde der Person" im Konflikt mit der Realität des modernen Lebens

Von Heiner Boberski

Analysen

"Jedem Menschen ist von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod die Würde einer Person zuzuerkennen." Mit diesem, bereits manche Realität des modernen Lebens (wie Abtreibung oder Verwendung von Embryonen als bloßes "Labormaterial) attackierenden Satz beginnt die kürzlich zu Fragen der Bioethik veröffentlichte vatikanische Instruktion "Dignitas personae" (Die Würde der Person). Sie hat relativ wenig Echo gefunden. Nun handelt es sich zwar nicht um eine päpstliche Enzyklika, aber immerhin um ein Dokument der Glaubenskongregation, die der heutige Papst, Benedikt XVI., fast zwei Dutzend Jahre lang geleitet hat. | Dass die Instruktion die Debatte über bioethische Fragen nicht belebt hat, liegt daran, dass sie im Grunde nur die bekannten Standpunkte der Katholischen Kirche zu diesen Fragen wiederholt. "Dignitas personae" bezieht sich vorrangig auf die 1987 veröffentlichte Instruktion "Donum vitae" und andere in der Ära von Johannes Paul II. entstandene Texte.


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Im Wesentlichen schärft das Dokument einen Katalog von Geboten und Verboten ein: Zeugung gehört nur in die Ehe; alle Techniken, die den ehelichen Akt ersetzen (die In-vitro-Fertilisation), sind "auszuschließen"; die willentliche Beseitigung von Embryonen ist "ganz und gar verwerflich"; das Einfrieren von Embryonen oder Eizellen ist "moralisch unannehmbar"; Keimbahntherapien (Gentherapien mit Veränderung der Keimzellen des Menschen) sind "sittlich nicht erlaubt"; Klonen mache "die sittliche Verwerflichkeit der künstlichen Befruchtungstechniken auf extreme Weise deutlich"; einem geklonten Menschen würde ein bestimmtes Erbgut auferlegt, er wäre damit "einer Art biologischer Sklaverei unterworfen".

Zwar wird betont, die Kirche schaue "mit Hoffnung auf die wissenschaftliche Forschung", aber "erlaubt" ist für sie in der modernen Biomedizin wenig - zum Beispiel eine Therapie mit Stammzellen, sofern diese gewonnen wurden, ohne einem Menschen schweren Schaden zuzufügen.

Die Leitung einer Religionsgemeinschaft hat natürlich das Recht und die Pflicht, den Gläubigen Ideale, von denen sie überzeugt ist, vor Augen zu stellen. Aber selbst viele treue Katholiken, die auch nicht alles, was für die Wissenschaft bereits machbar ist, gutheißen, würden das Bibelwort "Macht euch die Erde untertan" etwas großzügiger auslegen als Rom.

Ob zwischen einer eher areligiösen modernen Forschungswelt, für die der Mensch ein "Zigeuner am Rande des Universums" ist, und der Katholischen Kirche, die in ihm vom Embryo an die Krone der göttlichen Schöpfung sieht, Brücken überhaupt möglich sind, ist zweifelhaft. Die neue Instruktion, die sich "an die Gläubigen und an alle wahrheitssuchenden Menschen" richtet, ist offenbar auch gar kein Versuch zu einem Brückenschlag.

analyse@wienerzeitung.at