Zum Hauptinhalt springen

"Die Würde ist verloren gegangen"

Von Walter Hämmerle

Politik
Karlheinz Hackl: Naiv vielleicht, aber Taktik war nie dabei.

Hackl und die Politik: Hoffnungslos erfolglos, aber unendlich engagiert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Ihn lässt nichts kalt. Egal, ob Militärschläge gegen Gaddafi, Österreichs gefährdetes Triple-A-Rating, die allgegenwärtige Korruption, Androschs Bildungsvolksbegehren, die Erhaltung Grinzings, pensionierte Wut-Bürger oder die Sorge um den Verfall der politischen Kultur: Karlheinz Hackl ist, hart an der Grenze der öffentlichen Wahrnehmung, mit einer Presseaussendung dabei.

Der 62-jährige Wiener Schauspieler ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Getriebener, dem thematische Grenzen herzlich egal sind. Was ihn antreibt, sich beständig zu engagieren? Mindestens tausend Dinge, und die alle gleichzeitig - oder zumindest ganz schnell hintereinander. Wenn man mit ihm darüber spricht, kommt er vom Hundertsten ins Tausendste - vom Sündenfall, den Richard Lugner für die Seitenblicke-Gesellschaft verkörpert, seiner eigenen sozialistischen Sozialisierung im Theodor-Körner-Hof in Margareten, bis hin zu den rechten Populisten, dem Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls, der Sorge um die Jugend und - als Topos immer wiederkehrend - seiner schweren Krebserkrankung im Jahr 2003.

Was aber treibt ihn an? "Ich sehe etwas auf uns zukommen und will etwas dagegen unternehmen. Dass die Parteien etwas für die Menschen tun wollen, ist irgendwie verloren gegangen. Es fehlt ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl. Und der Politik ist die Würde verloren gegangen."

Wie kommt es, dass ausgerechnet er, der Kulturmensch, so auf’s Sparen drängt? "Ich habe Wirtschaft studiert", erklärt Hackl seine Sorge um Österreichs Triple-A. Und zum gerade von links stets kritisierten Wachstums-Fetischismus: "Ohne Wirtschaftswachstum können wir unsere sozialen Probleme nicht lösen, dann steigt die Arbeitslosigkeit; und diese wiederum löst bei den Betroffenen Aggression aus, die auf der Straße ausgelebt werden."

Beim besten Willen nicht ernst zu nehmen

Die gesellschaftliche Entwicklung ist Hackl also ehrliches Anliegen. Nur seine Aussendungen schrammen verlässlich hart an der Grenze zum absurd Kabarettistischen entlang. Eine Kostprobe: Im Oktober wünscht er sich "mit allen demokratischen Parteien sowie allen Finanzinstitutionen Österreichs" - selbstverständlich auch mit allen demokratischen Bürgern - "den Reformbund-Österreich, den RBÖ, zu gründen." Zum Parteivorsitzenden ernennt sich Hackl gleich selbst.

Wenn man Hackl damit konfrontiert, muss er selbst lachen. Er weiß, dass das Ganze beim besten Willen nicht ernst genommen werden kann - und dennoch ist es ihm ein Herzensanliegen. Er kann offensichtlich gar nicht anders: völlig irrational, das dafür mit ungebrochenem Enthusiasmus. Etwa als er 2008 versuchte, mit seiner eigens gegründeten Partei SKÖ, Solidarische Kultur Österreichs, die im Wesentlichen aus ihm selbst und einigen Freunden besteht, bei den Nationalratswahlen zu kandidieren. Etliche tausende Euro investierte Hackl in dieses Unterfangen von wahrlich Don-Quijote’schen Ausmaßen, hat vor dem Stephansdom um Unterstützungsunterschriften gebettelt. Natürlich alles vergeblich. Dass Richard Lugner bei den Bundespräsidentschaftswahlen 1998 fast 10 Prozent der Stimmen erhielt, kann der Mime bis heute nicht verwinden, er fasst es wohl als persönliche Beleidigung auf. Noch einmal zu Wahlen antreten, das will sich Hackl aber nicht mehr antun. "Man hat", so meint er, "keine Chance, wenn man ein bisschen einen Anspruch hat, wenn man kein absoluter Populist ist, wenn man ein bisschen eine Scheu vor einer Menschenmenge hat. Ich kann das nicht."

Natürlich ist ihm bewusst, dass er mit seinem politischen Engagement noch nie etwas erreicht hat, wohl auch nicht erreichen wird. Probiert, und das ist ihm wichtig, hat er es trotzdem: "Es mag Naivität gewesen sein, aber taktisch motiviert war es nie." Ein Lugner der Politik will er auf keinen Fall sein, dann schon lieber als "weiser Narr" sein Unwesen treiben.

Sein Wunsch für Österreich: eine gemeinsame Regierung von SPÖ, ÖVP und Grünen. Mit den Freiheitlichen hat es Hackl nämlich ganz und gar nicht.