Der erfolgreiche Austro-Manager zur Euro-Krise und der Zukunft der Banken.
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"Europa wird am Ende gestärkt aus der Krise kommen, aber es wird eine Wurschtelei, die noch mindestens zehn Jahre dauert", sagt Peter Brabeck-Letmathe zur "Wiener Zeitung". Der 67-Jährige ist einer der erfolgreichsten Manager aus Österreich. Der gebürtige Kärntner leitete viele Jahre lang den weltweit agierenden Nestlé-Konzern und ist jetzt dessen Verwaltungsratspräsident. Er sitzt im Aufsichtsrat der Credit Suisse und ist im "Unternehmen Österreich 2025"-Beirat von Vizekanzler Michael Spindelegger.
Der Weg bis dahin werde kein leichter, meint der Manager in Salzburg. "Die private Schuldenkrise in Europa ist größer als die öffentliche. Dänemark etwa hat eine Privatverschuldung von 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wir haben nicht nur öffentlich, sondern auch privat zu viel Geld ausgegeben." Sein Fazit: "Wir haben in Europa den Wohlstandszenit überschritten." Er rechnet vor, dass in den USA die Arbeitslöhne gefallen seien und nun etliche Industrieunternehmen wieder in den USA investieren würden. "Die USA haben ein Vertrauensproblem, aber ihre Wettbewerbsfähigkeit steigt."
Brabeck-Letmathe meint, dass Europa mit der Schuldenkrise bisher intelligenter umgegangen sei, aber nun die Gefahr drohe, dass Deutschland bei der Lösung der Krise überfordert werden könnte. "Deutschland ist der Stützpunkt, ohne Deutschland hätte Europa nichts mehr." Er räumt aber auch ein, dass die Aussagen mancher deutscher Politiker zum Süden Europas kontraproduktiv seien.
Um aus der Krise zu gelangen, müsste in Europa mehr und nicht weniger gearbeitet werden, sagt Brabeck-Letmathe. Ein Standpunkt, den manche Ökonomen und Gewerkschafter stark bezweifeln. Um die Arbeit besser zu verteilen, treten sie wieder vermehrt für Arbeitszeitverkürzungen ein. Immerhin gibt es in der EU derzeit 25 Millionen Arbeitslose.
Viele Konzerne horten Milliarden Geldbestände, statt zu investieren - das Job-Wachstum der privaten Wirtschaft ist derzeit minimal. Brabeck-Letmathe sieht die Gefahr allerdings woanders: Das Fehlen von Produktivitätsfortschritten in vielen Ländern vernichte Jobs. "Geld- und Steuerpolitik schafft kein Wachstum."
Auch bei den Energiepreisen sieht der Industriemanager Europa schwer im Nachteil. In den USA koste Erdgas deutlich weniger als die Hälfte wie in Europa. Das sei für viele Großunternehmen ein Anreiz dort zu investieren und nicht in der EU. Und es behindert die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Bei Innovationen dagegen könne Europa locker mithalten.
Banken sollten jeglichen Eigenhandel abstellen
Einen Innovationsbereich will Brabeck-Letmathe aber ausnehmen: den bei den Banken. Der Vizepräsident der Credit Suisse erklärt: "Das derzeitige Bankenmodell ist vorbei." In Zukunft werde es nur noch regionale und Spezialitäten-Banken geben. Und er geht noch einen Schritt weiter: "Es darf keine globale Vollbank geben." Auch hier erwartet der Nestlé-Vorsitzende große Umbrüche: "Das Risiko der Banken im Eigenhandel darf es nicht geben. Die müssen raus aus dem Geschäft, denn es ruht auf Geld, das sie von Kunden erhalten haben." Banken würden also in Zukunft auch deutlich weniger verdienen. "Das wird Auswirkungen auf die Aktienkurse haben. Effizient arbeitende Banken werden Renditen von 10 bis 12 Prozent haben."
Darauf müssen sich nicht nur Mitarbeiter und Aktionäre der Finanzinstitute einstellen, sondern auch die Wirtschaftspolitik. "Banken, die das tun, wofür man sie eigentlich braucht, also als Transmission zwischen Geldgebern und Geldnehmern, sollten etwa einen Anteil an der jeweiligen Wertschöpfung eines Landes von 4 bis 4,5 Prozent haben", sagt Brabeck-Letmathe. In den meisten Staaten liegt deren Anteil aber höher. In Österreich etwa liegt der Anteil der Finanzbranche am Bruttoinlandsprodukt bei etwa 6 Prozent. In Großbritannien sind es mehr als 8 Prozent, in der Schweiz gar mehr als 10 Prozent. Brabeck-Letmathe: "Da muss also wirtschaftlich vieles absorbiert werden, das ist kein einfacher Prozess."
Da der Manager aber verlangt, dass die Banken jeglichen Eigenhandel einstellen, umfasst dies auch Finanz-Spekulationen etwa bei Agrar-Preisen. Der Lebensmittel-Konzern Nestlé ist da allerdings ein Mitspieler, auch wenn mittlerweile weltweit 600.000 Landwirte direkte Abnahmeverträge mit Nestlé haben, wie Brabeck betont. Er ist dafür ein vehementer Gegner von Bio-Treibstoffen. "Die Welternährungsorganisation hat nun festgestellt, was ich seit Jahren predige: Keine Nahrungsmittel für die Treibstoff-Produktion, da geht zu viel Anbaufläche für die Ernährung verloren. Aber dahinter stecken eine starke Lobby und hohe Subventionen, daher erwarte ich eine noch stärkere Nahrungsmittel- und Hungerkrise als 2008."
Denn die Leidtragenden bei starken Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel seien die Menschen in den armen Ländern, wo bis zu 80 Prozent des Einkommens für die Ernährung ausgegeben werden. "Europa hält das aus, aber in Afrika und weiten Teilen Asiens schaut es anders aus."Wissen: Nestlé
Der Schweizer Nestlé-Konzern stellt Marken wie Nespresso, Nescafé, Alete-Babynahrung, Maggi-Suppen, Mövenpick-Eis und Kitkat her. Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern verfügt über weltweit rund 443 Fabriken in 81 Ländern und etwa 281.000 Mitarbeiter. Der Apotheker Henri Nestlé, Erfinder des "Kindermehls" (Säuglingsnahrung), gründete den Lebensmittelhersteller 1866 in Vevey (Schweiz).
Der Konzern profitiert derzeit vom Wachstum in Schwellenländern in Asien, Ozeanien und auch in Teilen Afrikas. Das Unternehmen nahm im ersten Halbjahr 2012 mit 44,1 Milliarden Franken (36,7 Milliarden Euro) 7,5 Prozent mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Das Geschäft in den Industrieländern legte immerhin noch um 2,6 Prozent zu. Das operative Ergebnis stieg um 6,3 Prozent auf 6,6 Milliarden Franken. Unter dem Strich steigerte Nestlé den Reingewinn um 8,9 Prozent auf 5,1 Milliarden Franken.
Zur Person: Peter Brabeck-Letmathe
Peter Brabeck-Letmathe wurde am 13. November 1944 in Villach (Kärnten) geboren. Nach seinem Wirtschaftsstudium in Wien stieg er 1968 beim Nestlé-Konzern in Österreich ein. Nach Stationen bei Nestlé in Südamerika wechselte er 1987 zur Firmenzentrale in Vevey (Schweiz). Von 1997 bis 2008 war Brabeck-Letmathe CEO von Nestlé. Seit 2005 ist er Verwaltungsratspräsident des Nahrungsmittelkonzerns.