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Die Wurzeln der Globalisierung

Von Christoph Braumann

Wissen
Die Gewürzinsel Ternate, wie sie 1662 im Atlas Blaeu-van der Hem dargestellt wurde.
© © OeNB

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Seit der Antike zählten Gewürze aus Asien in Europa zu den begehrtesten Handelsgütern. Neben der Suche nach Gold und Silber war der Gewürzhandel eine zentrale Triebfeder der europäischen Entdeckungsfahrten. Die Entdeckung der ostindischen Gewürzinseln an der Jahreswende 1511/1512 ist heute beinahe vergessen. Dabei bedeutete der Wettlauf zu diesen Inseln den ersten Schritt zur Globalisierung.

Das Monopol für den europäischen Gewürzhandel mit Pfeffer, Zimt, Muskatnüssen und Gewürznelken lag bis zum Ende des Mittelalters in den Händen der Genuesen und Venezianer. Über Umschlagplätze wie Konstantinopel und Alexandria wurden sie von arabischen Händlern aus dem Orient beliefert. Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 unterbrach diese Handelsverbindungen, und die Preise für Gewürze stiegen in Europa ins Unerschwingliche.

Niemand hätte wohl zu diesem Zeitpunkt vermutet, dass die aufstrebende Seemacht Portugal bald eine zentrale Rolle im Gewürzhandel erringen sollte. Doch schon im Jahr 1487 gelangte ein portugiesischer Agent, Pero da Covilha, als arabischer Händler getarnt bis nach Indien. Er sollte im Auftrag von König Joao I. von Portugal die Herkunft der Gewürze und den Handel im Indischen Ozean erkunden. Als der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama dann im Mai 1498 den indischen Hafen Calicut erreichte, war es sein wichtigstes Ziel, die Laderäume der Schiffe mit Gewürzen und anderen wertvollen Waren zu füllen. Zurück in Portugal, brachte der Erlös seiner Ladung angeblich das Sechzigfache der Expeditionskosten ein!

"Land der Könige"

Die Portugiesen setzten alles daran, den Indischen Ozean unter ihre Seeherrschaft zu bringen und den profitablen Gewürzhandel an sich zu ziehen. Die Eroberung des strategischen Handelsknotenpunktes Malakka an der Meerenge zwischen der malaiischen Halbinsel und Sumatra im Jahr 1511 öffnete den Weg nach China und zu den Gewürzinseln. Heute ist die im Arabischen Jazirat al-Muluk ("Land der Könige") genannte Inselgruppe der Molukken ein Teil von Indonesien. Sie war im 15. Jahrhundert unter islamischen Einfluss geraten. Da sie die einzige Quelle für Muskatnüsse und Gewürznelken war, hatte der Handel wohlhabende Sultanate entstehen lassen.

An einem Novembertag des Jahres 1511 liefen drei portugiesische Schiffe unter dem Kommando von Antonio de Abreu aus dem Hafen von Malakka Richtung Osten aus. Unterstützt durch malaiische und javanische Lotsen, war es ihr Auftrag, die Gewürzinseln zu erreichen. Zwar erlitt eine der Galeonen unterwegs Schiffbruch, doch um die Jahreswende 1511/1512 konnte die Expedition schließlich an der Küste von Banda, der südlichsten der Gewürzinseln, vor Anker gehen. Die Portugiesen wurden von den Eingeborenen erfreut empfangen, da die arabischen Händler zunehmend ausgeblieben waren.

Widrige Winde hinderten de Abreu jedoch daran, auch die nördlichen Molukkeninseln Ternate und Tidore anzulaufen. Nachdem die Portugiesen als Ersatz für die verlorene Galeone eine malaiische Dschunke erwerben konnten, füllten sie daher auf Banda die Laderäume ihrer drei Schiffe mit Gewürznelken und Muskatnüssen. Auf der Rückfahrt nach Malakka geriet die Flotte allerdings in einen schweren Sturm, der die Dschunke auf ein Riff trieb. Ihr Kapitän, Francisco Serrao, konnte zumindest die Besatzung in Sicherheit bringen. In der Folge gelangte er mit seinen Männern nach Ternate, wo er dem Sultan als "Militärberater" bei der Fehde gegen den Herrscher der Nachbarinsel Tidore diente. So wurde Serrao zum Entdecker der nördlichen Gewürzinseln und begründete auf Ternate einen Stützpunkt für Portugal. Antonio de Abreu dagegen erreichte mit den beiden übrigen Schiffen und ihrer wertvollen Ladung wohlbehalten Malakka.

Mit der Entdeckung der Gewürzinseln war Portugal die Krönung seiner maritimen Expansion gelungen. Der Handel mit Zimt und Muskatnüssen von den Banda-Inseln und mit Nelken von den Inseln Ternate und Tidore trug in der Folge reichen Gewinn ein: Im Jahr 1515 erbrachte der Gewürzhandel eine Million Cruzados; mehr als zwei Drittel der Staatseinnahmen Portugals wurden aus dem Überseehandel erzielt!

Diese Profite ließen den Konkurrenten Spanien nicht ruhen. Denn ob die Gewürzinseln in der portugiesischen oder der spanischen Welthälfte lagen, wie sie Papst Alexander VI. 1494 im Vertrag von Tordesillas festgelegt hatte, war unbekannt. Die Entdeckung des "Mar del Sur" jenseits der Landenge von Panama im Jahr 1513 eröffnete deshalb für Spanien neue Möglichkeiten, denn über diesen Ozean mussten gen Westen Asien und die Gewürzinseln erreichbar sein! Es galt nur, eine Verbindung vom Atlantik zum Südmeer zu finden.

Mit genau diesem Ziel trat der Portugiese Fernao de Magalhaes - Ferdinand Magellan - vor den spanischen König Carlos I. Am portugiesischen Königshof in Ungnade gefallen, war er nach Spanien emigriert. Dort fand er für seinen Plan, einen Weg nach Westen zu den Gewürzinseln zu finden, offene Ohren. Magellan kannte Ostindien, denn er war gemeinsam mit Franciso Serrao, (seinem Cousin), an der Eroberung Malakkas beteiligt gewesen.

Zudem gab er an, von geheimen portugiesischen Karten Kenntnis zu haben, die eine Verbindung zwischen Atlantik und "Mar del Sur" zeigten. Am 20. September 1519 stach unter seinem Befehl eine Flotte aus fünf Schiffen von Sanlucar de Barrameda bei Sevilla in See, mit dem Auftrag, die Gewürzinseln für Spanien in Besitz zu nehmen.

Fahrt ins Ungewisse

Nachdem Magellan im Süden der Neuen Welt eine Durchfahrt in den jenseitigen Ozean entdeckt hatte, segelten seine drei verblieben Schiffe auf das unbekannte Südmeer hinaus. "Mar Pacifico" - das friedliche Meer - so benannten es die Spanier. Doch Hunger, Durst und Skorbut, die Geisel aller Seereisen, forderten auf der drei Monate dauernden Überfahrt viele Opfer unter der Besatzung. Schließlich stießen die Spanier auf eine ausgedehnte Inselgruppe (die späteren Philippinen), die Magellan unter dem Namen "Lucoes" von portugiesischen Seekarten kannte.

Das Ziel der Expedition war nahe! Doch Magellan sollte die Gewürzinseln nicht erreichen: Bei einem Gefecht mit Eingeborenen kam er ums Leben.

Im November 1521 erreichten die Schiffe Trinidad und Victoria schließlich die Molukkeninsel Tidore. Nachdem die Laderäume der Schiffe mit Nelken und anderen Gewürzen gefüllt waren, beschloss man zur Rückfahrt zwei getrennte Routen. Die Victoria unter Juan Sebastian de Elcano erreichte nach einer entbehrungsreichen Fahrt durch den Indischen Ozean im September 1522 den Hafen von Sanlucar bei Sevilla und vollendete damit die erste Weltumseglung. Die Trinidad unter Gomez de Espinosa dagegen sollte über den Pazifik nach Darien am Isthmus von Panama segeln, scheiterte jedoch an den widrigen Winden. Es blieb nur die Rückkehr zu den Gewürzinseln, in der Hoffnung auf Hilfe durch die Portugiesen; doch wurde die dezimierte Besatzung von diesen auf Ternate gefangen gesetzt.

Spanien und Portugal versuchten in der Folge mit Hilfe einer Kommission aus berühmten Astronomen, Kosmografen und Navigatoren die Frage zu klären, in wessen Herrschaftsbereich die fernen Gewürzinseln fielen. Nachdem trotz langer Verhandlungen kein Ergebnis erzielt wurde, beschloss Carlos I. von Spanien die Aussendung einer neuerlichen Expedition.

Am 24. Juli 1525 setzte eine Armada aus sieben Schiffen unter dem Befehl von Generalkapitän Garcia Jofre de Loaisa im nordspanischen Hafen La Coruña die Segel; Juan Sebastian de Elcano, der erste Weltumsegler, war sein Stellvertreter. Diese große Expedition sollte einen spanischen Handelsposten auf den Gewürzinseln gründen. Sie stand jedoch unter keinem guten Stern: Nur vier Schiffe erreichten durch die Magellanstraße das "Mar del Sur", und allein das Flaggschiff, die Santa Maria de la Victoria, gelangte im Oktober 1526, ein Jahr und drei Monate nach dem Auslaufen aus La Coruña, zu den Gewürzinseln. Generalkapitän de Loaisa wurde auf der Fahrt von einer Krankheit dahingerafft, ebenso de Elcano.

Obwohl von einer Abordnung der Portugiesen aus Ternate nachdrücklich zum Abdrehen aufgefordert, liefen die Spanier die Insel Tidore an und wurden dort von den Eingeborenen freundlich aufgenommen. Bei einem folgenden Angriff portugiesischer Kriegsschiffe erlitt die Santa Maria so schwere Schäden, dass sie aufgegeben werden musste.

Die Spanier schafften ihre Kanonen an Land und errichteten auf Tidore einen Stützpunkt. Unter ihrem Befehlshaber Hernando de la Torre lieferten sie den Portugiesen - mit Unterstützung der Eingeborenen - einen erbitterten Kleinkrieg. Fern der Heimat gestrandet, ohne Hoffnung auf Hilfe, behaupteten sich die Reste der spanischen Expedition mit erstaunlicher Disziplin und Tapferkeit.

Mittlerweile ordnete König Carlos I. an, Unterstützung für die verschollene Expedition von Neuspanien (dem heutigen Mexiko) aus zu entsenden, das wenige Jahre zuvor von Hernando Cortes erobert worden war. Am 31. Oktober 1527 stachen drei Schiffe unter dem Befehl von Alvaro de Saavedra Ceron, einem Cousin von Hernando Cortes, vom Pazifikhafen Zihuatanejo aus in See. Ein Sturm zerstreute die Flotte, nur Saavedra setzte auf dem Flaggschiff Florida die Fahrt fort. Er erreichte im Februar 1528 die Gewürzinseln und traf vor der Insel Tidore tatsächlich auf ein Boot mit Männern der Truppe de la Torres. Der mitgebrachte Nachschub an Munition und Geschützen war den etwa 120 Spaniern hochwillkommen, die sonst in guter Verfassung waren.

Widrige Winde

Saavedra beschloss daher, über den Pazifik nach Neuspanien zurückzufahren, um weitere Verstärkung zu bringen. Doch wie Jahre zuvor die Trinidad scheiterte auch die Florida trotz zweier Versuche an den widrigen Winden; Saavedra selbst erlag einer Krankheit. Dem schwer mitgenommenen Schiff gelang mit Mühe die Rückkehr nach Tidore, wo sich die restliche Besatzung der Truppe de la Torres anschloss.

Im fernen Europa stand Spaniens König Carlos I. mittlerweile als Folge einer Reihe von Kriegszügen vor leeren Staatskassen. Nach seiner Heirat mit Prinzessin Isabella von Portugal trat er im Abkommen von Saragossa 1529 gegen eine Zahlung von 350.000 Golddukaten Portugal alle Ansprüche auf die Gewürzinseln ab.

Die spanischen Expeditionstruppen auf Tidore erfuhren erst Jahre später vom Abkommen und legten die Waffen nieder. Nur acht Mann von ihnen gelangten nach Europa zurück. So endete der erste globale Konflikt um eine kleine Inselgruppe am anderen Ende der Welt.

Christoph Braumann, geboren 1952, ist Referatsleiter für Landesplanung und Geographisches Informationssystem SAGIS beim Amt der Salzburger Landesregierung.